I. Wesen, Sinn und Zweck der Schiedsgerichtsbarkeit.
Rn 1
Schiedsgerichtsbarkeit ist eine auf Rechtsgeschäft beruhende private Gerichtsbarkeit über Verfahren aus dem Bereich des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten (§ 13 GVG). Dem Schiedsgericht wird auf der Basis der Privatautonomie die Entscheidung über zivilrechtliche Rechtsstreitigkeiten an Stelle staatlicher Gerichte übertragen. Auf dieser Basis stellt das 10. Buch der ZPO die Summe aller Normen dar, die die Grundlage für diese private Schiedsgerichtsbarkeit durch Privatpersonen als Schiedsrichter darstellen. Das Schiedsgericht ersetzt also das staatliche Gericht. Nur in ganz engen Ausnahmen unterstützt die staatliche Gerichtsbarkeit die private Schiedsgerichtsbarkeit, so bei der Bestellung der Schiedsrichter (§ 1035), bei einer Unterstützung iRd Beweisaufnahme (§ 1050), bei der Durchsetzung des Schiedsspruchs (§ 1060 ff), schließlich gibt es gewisse staatliche Ergänzungstätigkeit im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes (§§ 1033, 1041 II).
Die entscheidenden Wesensmerkmale dieser privaten Schiedsgerichtsbarkeit sind die Freiwilligkeit auf der Basis der Privatautonomie der Parteien, die Gestaltungsfreiheit iRd Verfahrens (zu den Grenzen vgl § 1042), die freie Wahl der Schiedsrichter sowie die Sperrwirkung einer Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien für ein staatliches Verfahren (§ 1032 I).
Schiedsgerichtsbarkeit ist danach Rechtsprechung im materiellen Sinn. Die Parteien verzichten durch den Abschluss einer Schiedsvereinbarung auf ihr verfassungsrechtliches Recht auf Justizgewährung. Damit ist eine solche Schiedsvereinbarung nach heutiger Auffassung ein Prozessvertrag und nicht eine materiellrechtliche Vereinbarung, wie dies in früherer Zeit vertreten wurde (St/J/Schlosser vor § 1025 Rz 2). Die Anerkennung der Schiedsgerichtsbarkeit als einer echten privaten Gerichtsbarkeit (BGH NJW 98, 3027 [OLG Hamburg 17.11.1997 - 2 Ws 255/97]) führt dazu, dass deutsche Schiedsrichter oft sehr verfahrensförmig (iSd ZPO) handeln und als aktive Verfahrensmanager agieren, dass sie sich von den Grundsätzen der Beschleunigung und Konzentration des Verfahrens leiten lassen und dass sie sehr vergleichsfreundlich wirken (Berger SchiedsVZ 09, 289, 291 f).
II. Rechtspolitische Entwicklung.
Rn 2
In jüngster Zeit werden speziell die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit (s.u. Rn 13) und darüber hinaus allgemein die Handelsschiedsgerichtsbarkeit mit merkwürdigen Vorwürfen überzogen (Schattenjustiz, private Paralleljustiz, Geheimjustiz). Insbesondere durch die Verhandlungen der EU mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) hat sich diese Kritik ausgebreitet. In ungewöhnlichem Maße werden hierbei diffuse Ängste und Vorurteile sowie ideologische Barrieren aufgebaut und verstärkt. Verkannt wird, dass Schiedsgerichtsbarkeit als Teil der ZPO seit 1877 als staatlich garantierte Verfahrensmöglichkeit existiert. Verkannt wird auch der gewichtige Unterschied zwischen der Handelsschiedsgerichtsbarkeit und der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit (Elsing SchiedsVZ 19, 16; Elsing/Grote RIW 18, 321). Zu beachten gilt es weiter, dass Deutschland das weltweit erste Investitionsschutzabkommen im Jahre 1959 abschloss (mit Pakistan), dass seither die EU-Staaten mehr als 1400 solcher Abkommen geschlossen haben, dass Schiedsgerichtsbarkeit stets einen Konsens beider Streitparteien über das Verfahren voraussetzt und dass deshalb Schiedsgerichtsbarkeit auch keinen unzulässigen Eingriff in das Rechtsprechungsmonopol des Staates darstellt. Im Übrigen entscheiden auch Schiedsgerichte stets nach Recht und Gesetz und Schiedssprüche unterliegen im Grundsatz einer staatlichen Kontrolle (§ 1059). Speziell grenzüberschreitende Konflikte lassen sich wegen der nationalen Ausrichtung staatlicher Gerichtsbarkeit regelmäßig nur durch neutrale Schiedsgerichte lösen (vgl zu dieser Kontroverse Duve AnwBl 14, 511; Duve/Rösch ZVglRWiss 15, 387; Engel SchiedsVZ 15, 218; Elsing/Grote RIW 18, 321; Filges BRAK-Mitt 14, 281; Gramlich/Conen SchiedsVZ 15, 225; Münch ZZPInt 20, 2015, S 431; Prütting AnwBl 15, 564; Risse SchiedsVZ 14, 265; Trappe SchiedsVZ 15, 235; vgl auch den Tagungsbericht JZ 16, 355). Nunmehr hat der EuGH im Fall Achmea entschieden, dass Schiedsklauseln in unionsinternen Investitionsschutzabkommen unzulässig sind (EuGH v 6.3.18, SchiedsVZ 18, 186 [EuGH 06.03.2018 - C-284/16] m abl Anm Kläger = IPRax 18, 609 m abl Anm Bischoff IPRax 18, 588). Das überzeugt nicht (abw auch alle Vorinstanzen sowie der Schlussantrag des Generalanwalts Whatelet; sehr krit auch Kröll SchiedsVZ 19, 135 [BGH 31.10.2018 - I ZB 17/18]; Elsing SchiedsVZ 19, 16). Soweit ersichtlich haben seither viele Schiedsgerichte aus einer völkerrechtlichen Perspektive erklärt, die Achmea-Entscheidung wirke sich nicht auf ihre Zuständigkeit aus. Der EuGH hat seine Auffassung im Fall Komstroy (EuGH v 2.9.21, SchiedsVZ 22, 34) für den Energiechartavertrag (ECT) bestätigt.
Rn 2a
Der BGH hat sich am 27.7.23 in dem Verfahren I ZB 43/22 der Auffassung des EuGH angeschlossen (BGH MDR 23, 1267 = EWiR 23, 671). Als Vorinstanz dazu hatte das KG abwe...