Gesetzestext
(1) 1Die Parteien sind gleich zu behandeln. 2Jeder Partei ist rechtliches Gehör zu gewähren.
(2) Rechtsanwälte dürfen als Bevollmächtigte nicht ausgeschlossen werden.
(3) Im Übrigen können die Parteien vorbehaltlich der zwingenden Vorschriften dieses Buches das Verfahren selbst oder durch Bezugnahme auf eine schiedsrichterliche Verfahrensordnung regeln.
(4) 1Soweit eine Vereinbarung der Parteien nicht vorliegt und dieses Buch keine Regelung enthält, werden die Verfahrensregeln vom Schiedsgericht nach freiem Ermessen bestimmt. 2Das Schiedsgericht ist berechtigt, über die Zulässigkeit einer Beweiserhebung zu entscheiden, diese durchzuführen und das Ergebnis frei zu würdigen.
A. Normzweck und Regelungsinhalt.
I. Systematischer Zusammenhang.
Rn 1
§ 1042 ist die zentrale Vorschrift des 5. Abschnitts des 10. Buchs über die Durchführung eines Schiedsverfahrens. Im Gegensatz zum früheren Recht enthalten die Norm und der gesamte Abschnitt relativ ausführliche Hinweise auf die einzelnen Verfahrensgrundlagen und Verfahrensregelungen.
II. Normzweck.
Rn 2
Der Grundsatz des schiedsrichterlichen Verfahrens bleibt trotz der einzelnen Regelungen die Parteiautonomie (Abs 3). Zweck der Norm ist es insoweit, im Rahmen dieser Parteiautonomie einige wenige zwingend angeordnete Grundregeln zu verdeutlichen, die die Freiheit der Parteien einschränken.
B. Prüfungsreihenfolge beim Verfahren.
Rn 3
Für die Frage, in welcher Reihenfolge Verfahrensregeln heranzuziehen sind, gilt daher folgende zwingende Regelung: zunächst sind die zwingenden Normen des 10. Buchs der ZPO und insb des § 1042 zu beachten (Gleichbehandlung, rechtliches Gehör, anwaltliche Vertretung, freie Beweiswürdigung). An zweiter Stelle ist sodann nach dem Parteiwillen zu fragen, inwieweit die Parteien selbst das Verfahren geregelt haben. An dritter Stelle und eng mit dem Parteiwillen verknüpft ist nach einer Bezugnahme auf eine schiedsrichterliche Verfahrensordnung zu forschen. Eine solche Bezugnahme ist im Bereich des nationalen Schiedsverfahrens häufig. Nicht selten wird auf die Schiedsgerichtsordnung der DIS verwiesen. Soweit weder zwingende Normen noch der Parteiwille oder eine Bezugnahme vorhanden sind, gilt für das Verfahren (viertens) ein freies Ermessen des Schiedsgerichts unter Beachtung dispositiver Normen des 10. Buches. Im Bereich des freien Ermessens der Schiedsrichter können auch Regelungen aller anderen Bücher der ZPO herangezogen werden (s.u. Rn 10 ff). Allerdings müssen die Schiedsrichter die Interessen der Parteien wahren. Insofern ist das freie Ermessen durch den mutmaßlichen Parteiwillen eingeschränkt. So wird der Parteiwille regelmäßig dahingehen, dass die Schiedsrichter für das Verfahren die lex fori beachten (Schütze SchiedsVZ 18, 101).
C. Parteiwille und Bezugnahme.
Rn 4
Wie Abs 3 verdeutlicht, ist der Parteiwille der oberste Grundsatz des schiedsgerichtlichen Verfahrens, soweit dem nicht zwingende Vorschriften des 10. Buches entgegenstehen (umfassend Spohnheimer Gestaltungsfreiheit bei antizipiertem Legalanerkenntnis des Schiedsspruchs, 2010). Das Schiedsgericht ist an Parteivereinbarungen über das Verfahren gebunden. Eine Parteiregelung über das Verfahren ist dogmatisch von der Schiedsvereinbarung iSd § 1029 zu trennen. Deshalb können Parteivereinbarungen über das Verfahren auch ohne die Form des § 1031 niedergelegt werden. In der Praxis werden die Schiedsvereinbarung und Vereinbarungen über das Verfahren aber häufig miteinander verbunden. Diese Grundsätze gelten auch, soweit der Parteiwille durch eine Bezugnahme auf eine Verfahrensordnung einer institutionellen Schiedsgerichtsorganisation folgt. Gibt es von einer in Bezug genommenen Verfahrensordnung verschiedene Fassungen, so ist im Zweifel diejenige Fassung vereinbart, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung in Kraft ist. Die Wirksamkeit einzelner Vereinbarungen über das Verfahren und die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung sind getrennt zu prüfen.
D. Gleichbehandlung.
Rn 5
Abs 1 S 1 enthält den auch verfassungsrechtlich zwingenden Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien. Damit ist auch im schiedsgerichtlichen Verfahren der verfassungsrechtlich garantierte Grundsatz der Waffengleichheit und der prozessualen Chancengleichheit der Parteien zwingend zu beachten (BGH MDR 20, 1396 [BGH 23.07.2020 - I ZB 88/19]). Im Einzelnen müssen deshalb den Parteien gleiche Fristen und gleiche Verfahrensregeln gewährt werden. Auch für einen gleichmäßigen Informationsstand der Parteien muss das Schiedsgericht Sorge tragen.
E. Rechtliches Gehör.
Rn 6
Der gem Art 103 I GG verfassungsrechtlich garantierte Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist zwingend auch im gesamten schiedsgerichtlichen Verfahren zu beachten. Es handelt sich um das zentrale prozessuale Grundrecht beider Parteien. Das BVerfG hat das rechtliche Gehör als das prozessuale Urrecht des Menschen bezeichnet. Es ist für jedes gerichtliche Verfahren konstitutiv und unabdingbar (BVerfGE 55, 1, 6 [BVerfG 09.07.1980 - 2 BvR 701/80]). Im Einzelnen enthält das rechtliche Gehör das Recht der Parteien auf Orientierung (also auf Benachrichtigung vom Verfahren, auf Mitteilung von Äußerungen anderer Beteiligter sowie auf Akteneinsicht). In e...