Gesetzestext

 

(1) Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so ist in schiedsrichterlichen Verfahren mit mehr als einem Schiedsrichter jede Entscheidung des Schiedsgerichts mit Mehrheit der Stimmen aller Mitglieder zu treffen.

(2) 1Verweigert ein Schiedsrichter die Teilnahme an einer Abstimmung, können die übrigen Schiedsrichter ohne ihn entscheiden, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. 2Die Absicht, ohne den verweigernden Schiedsrichter über den Schiedsspruch abzustimmen, ist den Parteien vorher mitzuteilen. 3Bei anderen Entscheidungen sind die Parteien von der Abstimmungsverweigerung nachträglich in Kenntnis zu setzen.

(3) Über einzelne Verfahrensfragen kann der vorsitzende Schiedsrichter allein entscheiden, wenn die Parteien oder die anderen Mitglieder des Schiedsgerichts ihn dazu ermächtigt haben.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Norm wendet sich ausschließlich an Schiedsgerichte, die mit mehr als einem Schiedsrichter besetzt sind. Sie regelt die Art und Weise der Entscheidungsfindung und hat damit für das schiedsrichterliche Entscheidungsverhalten eine Funktion iSd Rechtsklarheit. Darüber hinaus regelt die Norm Fragen, wenn ein Schiedsrichter die Teilnahme an einer Entscheidung verweigert. Insofern dient die Norm der Beschleunigung und Konzentration des schiedsrichterlichen Verfahrens.

B. Entscheidung des Schiedsgerichts (Abs 1).

 

Rn 2

Bei einem Richterkollegium ist unabhängig von der Zahl der Mitglieder des Schiedsgerichts jede Entscheidung mit Mehrheit der Stimmen aller Mitglieder zu treffen. Das Gesetz verlangt also jeweils eine absolute Mehrheit und lässt eine relative Mehrheit der anwesenden Schiedsrichter nicht ausreichen. Allerdings ist eine physische Anwesenheit der Schiedsrichter nicht erforderlich. Eine Beratung und Abstimmung der Schiedsrichter kann auch schriftlich, telefonisch oder durch Videokonferenz erfolgen, sofern die Schiedsrichter damit einverstanden sind. Zulässig dürfte sogar die Entscheidung im Umlaufverfahren auf der Basis eines Entwurfs eines Schiedsspruchs sein. Beratung und Abstimmung des Schiedsgerichts unterliegen ebenfalls der Parteivereinbarung, wobei einer solchen Vereinbarung Grenzen gezogen sind. So darf eine Vereinbarung grds nicht ein Übergewicht einer Partei entstehen lassen oder gegen das Verbot der Neutralität des Schiedsgerichts verstoßen. Möglich ist eine Parteivereinbarung in der Weise, dass Einstimmigkeit der Entscheidung verlangt wird. Möglich ist ebenfalls eine Vereinbarung, dass bei Stimmengleichheit im Schiedsgericht ein Stichentscheid durch die Stimme des Vorsitzenden vorgesehen wird.

Die Schiedsrichter sind zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses im Schiedsgericht verpflichtet, soweit im Schiedsvertrag nichts Abweichendes vereinbart ist (Prütting FS Schwab 90, 409; ders FS Böckstiegel 01, 629, 632). Die abweichende Auffassung eines Schiedsrichters darf nicht in einer dissenting opinion bekanntgegeben werden, soweit dies die Parteivereinbarung nicht ausnahmsweise erlaubt (tw aA Bartels SchiedsVZ 14, 133). Zur Vertraulichkeit s.o. § 1035 Rn 9 und § 1042 Rn 32. Zur Beratung des Schiedsgerichts Nedden/Büstgens SchiedsVZ 15, 269.

C. Obstruktion (Abs 2).

 

Rn 3

Verweigert ein Schiedsrichter die Teilnahme an einer Abstimmung, so gilt wiederum die in der Parteivereinbarung getroffene Regelung. Fehlt es insoweit an einer Regelung, so können die übrigen Schiedsrichter ohne den sich verweigernden Schiedsrichter entscheiden. Allerdings muss diese Absicht, ohne den verweigernden Schiedsrichter über den Schiedsspruch abzustimmen, den Parteien vorher mitgeteilt werden. Soweit als Entscheidung nicht der Schiedsspruch ansteht, sondern eine andere Entscheidung zu treffen ist, genügt ein nachträgliches In-Kenntnissetzen. Für die von Abs 1 verlangte absolute Mehrheit der Schiedsrichter ist in diesem Falle der die Teilnahme verweigernde Schiedsrichter nicht mitzuzählen. Das kann freilich zu der Konsequenz führen, dass zwischen den verbliebenen Schiedsrichtern ein Stimmengleichstand entsteht. In diesem Falle ist nach der Parteivereinbarung zu verfahren, wenn diese zB vorsieht, dass bei Stimmengleichheit dem Obmann ein Stichentscheid zusteht. Gibt es für den Fall der Stimmengleichheit keine Parteiregelung, so wird weithin die Auffassung vertreten, dass das Schiedsverfahren durch einen Beschl nach § 1056 Abs 2 Nr 3 zu beenden ist, die Fortsetzung des Verfahrens in diesem Falle also aus einem anderen Grund unmöglich geworden ist (St/J/Schlosser § 1052 Rz 4; Musielak/Voit/Voit § 1052 Rz 9; Schwab/Walter Kap 8 Rz 14). Dies überzeugt nicht. Ergibt sich für die mit der Schiedsklage geltend gemachten Ansprüche keine Mehrheit der Schiedsrichter, so ist die Klage abzuweisen.

D. Entscheidung durch den Vorsitzenden (Abs 3).

 

Rn 4

Das Gesetz ermöglicht in Abs 3, dass der vorsitzende Schiedsrichter über einzelne Verfahrensfragen allein entscheiden kann, wenn die Parteien oder die übrigen Mitglieder des Schiedsgerichts ihn dazu ermächtigt haben. Gemeint sind hier diejenigen Fragen von verfahrensrechtlicher Bedeutung, die nicht über das Verfahren hinaus ausstrahlen. So kann etwa der Vorsitzende die typischen Fragen des Amtsbetriebs übe...

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