Gesetzestext
Der Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils.
A. Normzweck.
Rn 1
Der Gesetzgeber stellt mit dieser Norm den Schiedsspruch (der kein Hoheitsakt ist) einem rechtskräftigen gerichtlichen Urt gleich. Diese Gleichstellung dient der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit. Die Parteien können dadurch sicher sein, ähnl wie vor einem staatlichen Gericht eine abschließende Entscheidung zu erhalten, die vollstreckbar ist. Allerdings wirft die vollständige Gleichstellung schwierige Fragen zum Umfang der materiellen Rechtskraft auf. Dies muss die Auslegung des Gesetzes freilich hinnehmen, wenn man mit dem Gesetzgeber eine volle Gleichstellung bejaht. Als Grundlage der Gleichstellung wird ein antezipiertes Legalanerkenntnis geltend gemacht (Spohnheimer, Gestaltungsfreiheit bei antezipiertem Legalanerkenntnis des Schiedsspruchs, 2010).
B. Norminhalt und Voraussetzungen.
Rn 2
Die Norm geht von einem Schiedsspruch aus und meint dabei sowohl den einem Endurteil gleichstehenden normalen Schiedsspruch iSd § 1054 wie auch den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut (§ 1053). Nicht hierher gehört der reine Vergleich iSv § 1053 I, der Beendigungsbeschluss nach § 1056 II sowie der Zwischenentscheid nach § 1040 III. Auch alle übrigen Äußerungen des Schiedsgerichts zu einzelnen Streitpunkten oder zu einzelnen Zulässigkeitsfragen oder zu einzelnen Verfahrensabschnitten, in welcher Form sie auch immer erlassen sind, gehören nicht hierher. Ein echter Schiedsspruch iSv § 1055 ist aber der Teilschiedsspruch iSd § 301, ferner der Schiedsspruch, der die Klage als unzulässig insgesamt abweist (analog zu einem Prozessurteil).
C. Formelle Rechtskraft.
Rn 3
Formelle Rechtskraft eines Schiedsspruchs bedeutet wie iSv § 705, dass zulässige Rechtsmittel oder ein zulässiger Einspruch gegen den Schiedsspruch nicht mehr möglich sind. Dies ist bei Schiedssprüchen die absolute Regel. Die formelle Rechtskraft des Schiedsspruchs tritt also nahezu immer mit der Erfüllung der formellen Voraussetzungen des § 1054 ein, soweit die Parteien nichts anderes vereinbaren. Der formellen Rechtskraft steht es nicht entgegen, dass gegen den Schiedsspruch Aufhebungsklage nach § 1059 erhoben werden kann. Dieser Rechtsbehelf richtet sich bewusst gegen den formell rechtskräftigen Schiedsspruch und ist daher eher einer Wiederaufnahmeklage vergleichbar. Bei einem zweistufigen Schiedsverfahren steht allerdings die formelle Rechtskraft des Schiedsspruchs erster Instanz unter der aufschiebenden Bedingung der Bestätigung durch das Oberschiedsgericht (BGH MDR 18, 1207 [BGH 09.05.2018 - I ZB 77/17]).
D. Materielle Rechtskraft.
I. Wirkung.
Rn 4
Materielle Rechtskraft iSv § 322 bedeutet Maßgeblichkeit der Entscheidung zwischen den Parteien. Stoßrichtung der materiellen Rechtskraft ist damit ein künftiges Verfahren über denselben Streitgegenstand, das durch die Rechtskraft verhindert werden soll. Die hL versteht die Rechtskraft als ne bis in idem und macht daher das Fehlen der materiellen Rechtskraft zu einer Sachurteilsvoraussetzung. Ob die ne bis in idem-Lehre auch in der Schiedsgerichtsbarkeit gilt, ist umstr (dafür mit Einschränkungen Schwab/Walter Kap 21 Rz 7, 9; aA St/J/Schlosser § 1055 Rz 6). Die praktischen Unterschiede zwischen den Meinungen dürften gering sein. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Schiedsspruch auch eine materielle Rechtskraftwirkung grds zuerkannt wird. Dies schafft für die siegreiche Partei Rechtssicherheit, dass sie nicht noch einmal mit einem abweichenden Ergebnis und einer darauf aufbauenden Klage konfrontiert wird. Letztlich wird man heute auch für den Schiedsspruch die ne bis in idem-Lehre vertreten können.
II. Subjektive Grenzen.
Rn 5
Die materielle Rechtskraft wirkt gem § 325 I nur für und gegen die Parteien des Rechtsstreits. Zuzulassen sind freilich auch die Erstreckung der Rechtskraft auf Rechtsnachfolger, Nacherben und Erben bei Testamentsvollstreckung iSd §§ 325–327. Eine weitergehende Rechtskrafterstreckung auf Dritte, wie sie etwa die Lehre von der Drittwirkung der Rechtskraft vertreten hat, ist nicht anzuerkennen (so auch Pika ZZP 131, 2018, 225).
III. Objektive Grenzen.
Rn 6
Die Rechtskraft eines Schiedsspruchs erfasst nur den Tenor der Entscheidung, nicht isolierte tatsächliche oder rechtliche Gründe. Die Rechtskraft bezieht sich dabei jeweils auf den identischen Streitgegenstand oder sein kontradiktorisches Gegenteil. Soweit der rechtskräftige Inhalt des Schiedsspruchs ein präjudizielles Rechtsverhältnis für einen weitergehenden Anspruch darstellt, führt die Rechtskraft zur Bindung an den Schiedsspruch.
IV. Zeitliche Grenzen.
Rn 7
Die zeitliche Grenze der Rechtskraft ist im staatlichen Gerichtsverfahren der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung. Einen vergleichbaren Zeitpunkt kennt das Schiedsgericht nicht. Daher wird man in zeitlicher Hinsicht die jeweils letzte Möglichkeit der Parteien, sich schriftlich oder mündlich zu äußern, als zeitliche Grenze ansehen müssen. Die Präklusionsregelung des § 767 II gilt insoweit analog.
E. Wiederaufnahme.
Rn 8
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wie sie das staatliche Gericht gegen rechtskräftige Urteile kennt (§ 578), kennt das schiedsgerichtlich...