Prof. Hilmar Raeschke-Kessler
I. Parteivereinbarung über Anfechtungsfrist.
Rn 82
§ 1059 III enthält eine prozessuale Klagefrist. Ihr Ablauf führt zum Verlust des Klagerechts aus § 1059 (BGH 29.04.20 – VIII ZR 355/18 = NJW 20, 1947 Rz 21). Dabei muss zwingend lediglich der Aufhebungsantrag innerhalb der maßgeblichen Frist (§ 1059 III) gestellt werden. Die einzelnen Aufhebungsgründe können später innerhalb der vom OLG für das Vorbringen gesetzten Frist vorgetragen werden (BGH 21.4.22 – I ZB 36/21, juris Rz 37). Der sicherste Weg ist jedoch, die einzelnen Aufhebungsgründe bereits im Aufhebungsantrag substantiiert vorzutragen.
II. Regel: 3 Monate ab Empfang des Schiedsspruchs.
Rn 83
Die Regelfrist für einen Aufhebungsantrag beträgt drei Monate ab Empfang des Schiedsspruchs durch den Antragsteller, sofern die Parteien die Antragsfrist nicht durch eine Vereinbarung abgeändert haben (§ 1059 III 1). Fristbeginn ist der Tag, an dem der Antragsteller den Schiedsspruch empfangen hat (§ 1059 III S 2). Da das Schiedsgericht den Parteien den Schiedsspruch lediglich zu ›übermitteln‹ hat (§ 1054 IV), ist keine förmliche Zustellung (§§ 166 ff) erforderlich. Ein formloser Zugang genügt (hM, jedoch offengelassen in BGH NJW 01, 3787, 3788 [BGH 20.09.2001 - III ZB 57/00]). In der Praxis geschieht dies entweder durch Einschreiben gegen Rückschein oder durch Übersendung durch Kurier (etwa an eine Partei im Ausland). Der Schiedsspruch muss der Partei selbst und nicht etwa ihrem Verfahrensbevollmächtigten übermittelt worden sein. Sendet das Schiedsgericht den für den Antragsteller bestimmten Schiedsspruch an den Verfahrensbevollmächtigten, so beginnt der Lauf der 3-Monatsfrist mit dem Tag, an dem der Antragsteller den Schiedsspruch von seinem Verfahrensbevollmächtigten empfangen hat.
Die Drei-Monatsfrist hält auch bei Schiedsverfahren mit Verbrauchern einer Kontrolle am Maßstab des Gemeinschaftsrechts stand (EuGH Slg 09, I-9579 Rz 41 ff zur Anfechtungsfrist von zwei Monaten nach spanischem Recht – Asturcom Telecomunicaciones).
Rn 83a
Die Parteien können die Frist, innerhalb derer ein Aufhebungsantrag bei dem zuständigen OLG (§ 1062 I 4) gestellt werden muss, frei vereinbaren. Sie können die Regelfrist von drei Monaten (§ 1059 III 1) abkürzen oder verlängern. Die Parteivereinbarung kann noch nach Übermittlung des Schiedsspruchs an die Parteien durch das Schiedsgericht (§ 1054 IV) erfolgen.
III. Frist nach Antrag gem § 1058.
Rn 83b
Ein Antrag auf Berichtigung, Auslegung oder Ergänzung des Schiedsspruchs ist innerhalb eines Monats nach Empfang des Schiedsspruchs zu stellen, sofern die Parteien keine andere Frist vereinbart haben, § 1058 II. Nach der Stellung eines derartigen Antrags verlängert sich die Frist für den Aufhebungsantrag um höchstens einen Monat nach Empfang der Entscheidung des Schiedsgerichts über den Antrag nach § 1058, § 1059 III S 3. Der Aufhebungsantrag nach § 1059 kann bereits gestellt werden, bevor das Schiedsgericht über den Antrag nach § 1058 entschieden hat. Der Antragsteller nach § 1059 kann jedoch die Verlängerungsfrist nach § 1059 III S 3 selbst dann ausnutzen, wenn der Antrag nach § 1058 für seinen Aufhebungsantrag ohne Relevanz ist (BGH 26.11.20 – I ZB 11/20, juris, Rz 16 f).
IV. Fristen für das Zwischenverfahren nach § 1040 III.
Rn 84
Hat das Schiedsgericht bereits durch Zwischenentscheid nach § 1040 III seine Zuständigkeit bejaht, so beträgt die Antragsfrist für dessen Aufhebung lediglich einen Monat ab Übermittlung des schriftlich abgefassten Entscheids an den Antragsteller, § 1040 III 2 (BGH SchiedsVZ 03, 133, 134; s § 1040 Rn 5). Hat das Schiedsgericht von § 1040 III 3 Gebrauch gemacht, das Schiedsverfahren fortgesetzt und einen Schiedsspruch erlassen, so beginnt die Dreimonatsfrist für die Anfechtung des Schiedsspruchs in analoger Anwendung von § 1059 III 2 erst, nachdem die Entscheidung des Gerichts im Zwischenverfahren nach §§ 1040 III, 1062 I 2 rechtskräftig geworden ist. Ist hierüber ein Rechtsbeschwerdeverfahren anhängig, so beginnt die Frist mit dem Tag, an dem der Antragsteller die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts empfangen hat (BGH WM 16, 1714 Rz 9).
V. Parallelverfahren nach §§ 1059, 1060.
Rn 85
Die Verfahren nach § 1059 und nach § 1060 werden häufig unabhängig voneinander von der jeweils anderen Partei eingeleitet. Für beide Verfahren ist das gleiche OLG zuständig, § 1062 I 4. Es dient der Prozessökonomie, wenn das OLG die Verfahren miteinander verbindet, so dass nur eine Entscheidung ergeht. Bleiben beide Verfahren getrennt, sollte das OLG zuerst über das Verfahren nach § 1059 entscheiden. Gibt es dem Aufhebungsantrag statt und wird die Entscheidung rechtskräftig, ist der Schiedsspruch mit weltweiter Wirkung beseitigt, Art. V 1e) UNÜ. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung nach § 1060 ist dann abzuweisen. Bleibt das Aufhebungsverfahren erfolglos, ist über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zu entscheiden.
VI. Kein Aufhebungsverfahren nach Vollstreckbarerklärung.
Rn 86
Ist der Schiedsspruch rechtskräftig für vollstreckbar erklärt worden, kann ein Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs nicht mehr gestellt werden, § 1059 III 4 (BGH NJW-RR 06, 995 Rz 11). Das gilt auch für einen behaupteten op-Verstoß nach § 1059 II 2b). Da der op-Verstoß als vAw zu prüfender Aufhebungsgrund immer im Verfahren auf V...