Prof. Hilmar Raeschke-Kessler
1. Darlegungszwang für Einwendungen.
Rn 23
Der Antragsgegner hat die Einwendungen aus dem Katalog von Art V 1 UNÜ, mit denen er die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung verhindern möchte, ›begründet‹ geltend zu machen (vgl BGHZ 142, 204, 206 f zu § 1059 II 1). Er hat daher jede einzelne Einwendung, die nach seiner Auffassung vorhanden ist, dem Gericht substanziiert darzulegen und zu beweisen. Das Gericht hat geltend gemachte Versagungsgründe aus Art V UNÜ für jede einzelne Regelung des Tenors gesondert zu prüfen. Nur soweit ein Versagungsgrund vorliegt, ist die Vollstreckbarerklärung abzulehnen (BGH SchiedsVZ 17, 200 [BGH 02.03.2017 - I ZB 42/16] Rz 22).
2. Fehlerhafte Schiedsvereinbarung.
Rn 24
Zu den wichtigsten Einwendungen zählt die fehlerhafte Schiedsvereinbarung, Art V 1a UNÜ. Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung richtet sich regelmäßig nach dem anwendbaren Recht, unter dem sie abgeschlossen worden ist. Ist die Schiedsvereinbarung jedoch gemessen am Maßstab von § 1031 wirksam zustande gekommen, muss sie der Richter im Verfahren nach § 1061 als wirksam behandeln, auch dann, wenn sie nach dem Recht im Ursprungsland als unwirksam gilt. Das verlangt der vAw anzuwendende Grundsatz der Meistbegünstigung aus Art VII UNÜ (BGH SchiedsVZ 10, 332 [BGH 30.09.2010 - III ZB 69/09] Rz 12).
Rn 25
Zu beachten sind jedoch mögliche Beschränkungen der subjektiven Schiedsfähigkeit. So sind nach § 37h WpHG Schiedsvereinbarungen mit Verbrauchern über künftige Rechtsstreitigkeiten aus Wertpapierdienstleistungen oder Finanztermingeschäften unwirksam. Das gilt auch, wenn die Schiedsvereinbarung ausländischem Recht unterliegt (BGHZ 184, 365 Rz 21). Art V 1a) UNÜ erlaubt den Rückgriff auf das für den Verbraucher maßgebliche deutsche Recht (BGH SchiedsVZ 11, 46 [BGH 08.06.2010 - XI ZR 349/08] Rz 22).
Rn 26
Einige Staaten (früher regelmäßig die Staaten des COMECON) und diesen Staaten unmittelbar gehörende Staatsunternehmen schließen zunächst international übliche Schiedsverträge ab, um später im Schiedsverfahren und Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfahren einzuwenden, sie seien nach ihrem Heimatrecht hierzu nicht fähig gewesen. Der Einwand ist regelmäßig rechtsmissbräuchlich. Nach dem Europäischen Übereinkommen über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1961 (BGBl 1964 II, 426) haben die Staaten und deren Unternehmen die Fähigkeit, wirksam Schiedsvereinbarungen zu schließen. Art II des Europäischen Übereinkommens gilt heute als Völkergewohnheitsrecht auch für die Staaten und deren Staatsunternehmen, die dem Abkommen nicht beigetreten sind. Jeder Staat und jedes Staatsunternehmen, der oder das im internationalen Wirtschaftsverkehr eine Schiedsvereinbarung durch ordnungsgemäß bestellte Vertreter unterzeichnet hat, ist hieran gebunden und kann sich nicht auf entgegenstehendes formelles Heimatrecht berufen.
3. Fehler bei der Ingangsetzung des Schiedsverfahrens.
Rn 27
Nach Art V 1b UNÜ kann das Gericht die Vollstreckbarkeitserklärung verweigern, wenn eine Partei nachweist, dass sie von der Bestellung des Schiedsgerichts nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist oder aus einem anderen Grund ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können. Die Vorschrift sichert damit die Beteiligung der Parteien an der Bildung des Schiedsgerichts und einen Mindeststandard beim rechtlichen Gehör. Die Bestimmung ist jedoch kein absoluter Aufhebungsgrund. Bei einer Verletzung ist der Schiedsspruch nur dann aufzuheben, wenn der Verstoß kausal war. Hierzu reicht jedoch aus, wenn der Schiedsspruch auf dem geltend gemachten Verstoß beruhen kann (BGH SchiedsVZ 09, 126 [BGH 15.01.2009 - III ZB 83/07] Rz 7).
4. Fehler bei der Bildung des Schiedsgerichts.
Rn 28
Art V 1d UNÜ überschneidet sich tw mit Art V 1b UNÜ. Der Hauptfehler bei der Bildung des Schiedsgerichts ist die Befangenheit eines Schiedsrichters, die zu dessen Ablehnung berechtigt (vgl Art 12 II – UNCITRAL ML). Die Ablehnung muss jedoch regelmäßig innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden, nachdem die hierzu berechtigte Partei von den Ablehnungsgründen Kenntnis erhalten hat (vgl Art 13 II UNCITRAL ML: 15 Tage; § 1037 II: 2 Wochen). Unterbleibt die fristgerechte Ablehnung, sind die Ablehnungsgründe als Einwand im Verfahren nach § 1061 verloren. Ein Schiedsspruch, an dem ein befangener Schiedsrichter mitgewirkt hat, kann nicht für vollstreckbar erklärt werden, weil nicht auszuschließen ist, dass das mit einem anderen Schiedsrichter besetzte Schiedsgericht zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Das gilt selbst dann, wenn der Schiedsspruch bei einem Dreier-Schiedsgericht einstimmig ergangen ist (BGH NJW-RR 15, 1087, Rz 11 ff für ein Schiedsverfahren in Deutschland). Erklären die beiden verbliebenen Schiedsrichter, mit einem neuen dritten Schiedsrichter werde ein gleichlautender Schiedsspruch erlassen, so führt dies zu Zweifeln an ihrer Unvoreingenommenheit und ihrer Eignung für das Schiedsrichteramt (BGH NJW-RR 15, 1087 [BGH 11.12.2014 - I ZB 23/14], Rz 14 f).
Rn 29
Hat die Partei ohne ihr eigenes Verschulden von den Ablehnungsgründen erst nach Erlass des Schiedsspruchs erfahren, ist die fehlende Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit ...