Prof. Hilmar Raeschke-Kessler
Rn 15
Innerhalb der Zulassungsgründe überprüft der BGH lediglich iRv §§ 576, 577, ob dem OLG bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Im Rahmen seiner Überprüfung kann er den Schiedsspruch, der der Rechtsbeschwerde zugrunde liegt, eigenständig auslegen und rechtlich einordnen. Er ist hierbei nicht an das Auslegungsergebnis des OLG gebunden. Bei Rügen zu § 293 prüft der BGH vAw, ob das Tatgericht anzuwendendes ausländisches Recht ordnungsgemäß ermittelt hat. Enthält die angefochtene Entscheidung hierzu keine Aussage, ist davon auszugehen, dass eine ausreichende Erforschung des ausländischen Rechts verfahrensfehlerhaft unterblieben ist (BGH 12.03.2020 – I ZB 64/19 juris, Rz 44). Er kann auch das ausländische Recht selbst ermitteln (BGH SchiedsVZ 16, 343 [BGH 21.04.2016 - I ZB 7/15] Rz 24).
Rn 15a
Hat das OLG auf eine entscheidungserhebliche Rüge, das Schiedsgericht habe Art 103 I GG verletzt, den Schiedsspruch nicht aufgehoben, perpetuiert es die Gehörsverletzung des Schiedsgerichts, wenn es den Schiedsspruch nicht aufhebt (BGH 9.12.21– I ZB 21/21, juris Rz 24 f). Ein Gehörsverstoß des Schiedsgerichts kann jedoch nicht erstmals im Verfahren nach § 1065 geltend gemacht werden, weil dies mit dem Subsidiaritätsgrundsatz unvereinbar wäre (vgl BGH 3.9.20 – I ZR 186/19, juris Rz 11).
Rn 16
Die Auslegung einer individuellen Schiedsvereinbarung obliegt in den Verfahren nach §§ 1059–1061 zunächst dem OLG als Tatrichter. Revisionsrechtlich kann der BGH das Auslegungsergebnis nur eingeschränkt darauf überprüfen, ob der Tatrichter die allgemeinen Auslegungsregeln, Denkgesetze und Erfahrungssätze eingehalten hat. Ebenso, ob er die für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend gewürdigt hat. Zu den wesentlichen Umständen gehören die Verhandlungen, die zur endgültigen Fassung der Schiedsvereinbarung geführt haben (BGH SchiedsVZ 09, 122, 125 Rz 25). Hierzu gehört auch das spätere Verhalten der Beteiligten, das von wesentlicher Bedeutung ihres tatsächlichen Willens und Verständnisses ist (BGH SchiedsVZ 09, 125 [BGH 13.01.2009 - XI ZR 66/08] Rz 27). Hat das OLG nicht alle Umstände umfassend gewürdigt, ist der BGH nicht an dessen Auslegungsergebnis gebunden.
Rn 16a
Eine formularmäßige Schiedsvereinbarung legt der BGH wie eine AGB aus und behandelt sie wie eine revisible Rechtsnorm. Sie ist vom Revisionsgericht daher frei auszulegen, weil bei ihr ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht. Ausgelegt wird nach dem objektiven Empfängerhorizont (BGH 19.4.2018 – I ZB 52/17 juris Rz 12, 15). Das Gleiche gilt für die Auslegung einer vom Schiedsgericht anzuwendenden Schiedsordnung.