Prof. Hilmar Raeschke-Kessler
I. Zulässigkeit.
Rn 6
Zulässig sind statutarische Schiedsklauseln in den Satzungen aller personalistisch strukturierten Gesellschaften oder Verbänden. Das gilt va für BGB-Gesellschaft, OHG, GmbH und GmbH & Co. KG mit einer überschaubaren Anzahl von Gesellschaftern, die damit personalistisch strukturiert sind (BGHZ 180, 221 für die GmbH-Schiedsfähigkeit II). Unzulässig sind sie bei der börsennotierten AG schon wegen des Verbots aus § 23 V AktG. Bei der personalistisch strukturierten nicht börsennotierten kleinen AG ist eine Schiedsvereinbarung nach moderner Auffassung jedoch zulässig (Schmidt/Lutter/Schwab § 246 Rz 33). Sie muss dann in einer gesonderten Vereinbarung außerhalb der Satzung vorliegen. Eine Entscheidung des BGH zur kleinen AG steht jedoch noch aus. Unzulässig sind statutarische Schiedsklauseln auch bei kapitalistisch strukturierten Gesellschaften jeder Rechtsform, die auf eine Vielzahl von Gesellschaftern angelegt sind zB Kapitalanlagenfonds jeder Art.
Rn 7
Sind an der Gesellschaft Verbraucher beteiligt, muss eine statutarische Schiedsvereinbarung die Formvorschrift von § 1031 V einhalten (s § 1031 Rn 9). Ihr Inhalt darf nicht missbräuchlich iSv Art 6 I EGRiLi 93/13 sein. Diese Prüfung hat vAw zu erfolgen (EuGH, Slg 06, I-6653, Rz 32 – Asturcom Telecomunicaciones).
II. Auslegung.
Rn 7a
Bei personalistisch strukturierten Gesellschaften ist die Schiedsklausel nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Ihr objektiver Sinn ist anhand des von den Parteien vorgetragenen und festgestellten Auslegungsstoffs unter Einschluss der Gesamtwürdigung des Vertragsinhalts zu ermitteln (BGH 23.9.21 – I ZB 13/21 = NJW-RR 22, 261 Rz 35 – Schiedsfähigkeit IV).
III. Beteiligte.
Rn 8
Es ist das Kennzeichen einer statutarischen Schiedsklausel in einem Gesellschaftsvertrag, dass diese neben den Gesellschaftern, die den Gesellschaftsvertrag abgeschlossen haben, auch die hierdurch erst geschaffene Gesellschaft bindet. Das gleiche gilt entsprechend für statutarische Schiedsklauseln in den Satzungen von Vereinen, Genossenschaften oder Verbänden, die jeweils erst durch die Satzung entstehen, hieran aber nicht selbst beteiligt sind.
IV. Feststellungsklagen nach § 256.
Rn 9
Ermöglicht die statutarische Schiedsklausel einfache Feststellungsklagen zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft nach § 256, gelten insoweit keine Besonderheiten, auch dann, wenn es sich im konkreten Fall um einen Streit zwischen mehr als zwei Beteiligten, etwa über die Auslegung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrags, handelt. Die Rechtskraft der Entscheidung erstreckt sich nur auf die hieran beteiligten Parteien. Das gilt selbst dann, wenn eine einheitliche Entscheidung gegenüber den an dem Streit unbeteiligten Personen notwendig oder wünschenswert wäre (BGH NJW 15, 3234, Rz 15 f). Bei derartigen Klagen, die eine Nähe zu Beschlussmängelstreitigkeiten aufweisen, ist eine erga omnes Wirkung nicht möglich (BGH NJW 15, 3234 [BGH 16.04.2015 - I ZB 3/14], Rz 20). Am Verfahren nicht beteiligte BGB-Gesellschafter sind jedoch schuldrechtlich verpflichtet, sich an die gegen die Gesellschaft ergangene Entscheidung zu halten (BGH 23.9.21 – I ZB 13/21 = NJW-RR 22, 261 Rz 19 – Schiedsfähigkeit IV).
V. Statutarische Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten.
Rn 10
Zulässig ist eine statutarische Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag einer GmbH, die eine Entscheidung des Schiedsgerichts auch für Beschlussmängelstreitigkeiten nach §§ 241 ff AktG analog vorsieht (BGHZ 180, 221 Rz 11 ff – Schiedsfähigkeit II). Das gilt auch für Personengesellschaften, bei denen nach dem Gesellschaftsvertrag Beschlussmängelstreitigkeiten zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft auszutragen sind (BGH 23.9.21 – I ZB 13/21 = NJW-RR 22, 261 Rz 14 – Schiedsfähigkeit IV).
1. Beschlussmängelstreitigkeit = Mehrparteienstreitigkeit.
Rn 11
Beschlussmängelstreitigkeiten sind ihrer Natur nach Mehrparteienstreitigkeiten mit besonderen Anforderungen bei der Bildung des Schiedsgerichts und der Durchführung des Schiedsverfahrens. Zahlreiche statutarischen Schiedsklauseln sind noch am Zwei-Parteien Schiedsverfahren orientiert. Sie entsprechen damit nicht den Anforderungen für Beschlussmängelstreitigkeiten und sind deswegen unwirksam, soweit Streitgegenstand die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses ist. Weist die Schiedsklausel alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis einem Schiedsgericht zu und ist der Gegenstand des Schiedsverfahrens jedoch keine Beschlussmängelstreitigkeit, liegt insoweit lediglich eine Teilnichtigkeit und keine Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB vor. Die Schiedsklausel bleibt für alle anderen Streitgegenstände wirksam (BGH 23.9.2021 – I ZB 13/21 = NJW-RR 22, 261 Rz 42 – Schiedsfähigkeit IV).
2. Besondere Anforderungen seit Schiedsfähigkeit II.
Rn 12
Um für Beschlussmängelstreitigkeiten wirksam zu sein, muss die Schiedsklausel folgende Anforderungen erfüllen: (1) Alle Gesellschafter müssen der Schiedsklausel in der Satzung zugestimmt haben. (2) Ist die Schiedsvereinbarung nicht in der Satzung enthalten, sondern von ihr getrennt, muss neben allen Gesellschaftern auch die Gesellschaft hieran beteiligt sein. (3) Alle Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, e...