Gesetzestext
Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union nach der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (ABl. EG Nr. L 26 S. 41, ABl. EU Nr. L 32 S. 15) gelten die §§ 114 bis 127a, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.
Rn 1
Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, die RL 2003/8/EG durch eine besondere Regelung umzusetzen. Stattdessen verweist § 1076 auf die allgemeinen Regeln zur Prozesskostenhilfe, mit gewissen Ergänzungen in §§ 1077 und 1078. Nach Ansicht der Bundesregierung ist dieses Verfahren mit der RL vereinbar (BTDrs 15/3281, 10). Problematisch ist aber, wie sich die in § 114 S 1 verlangte Prüfung der Erfolgsaussichten zu Art 6 I der RL verhält, welcher eine Ablehnung des PKH-Antrags nur bei ›offensichtlich unbegründeten Verfahren‹ vorsieht (krit dazu Büttner AnwBl 07, 477, 482). Jedoch erlaubt Art 6 II der RL eine solche Prüfung der Erfolgsaussichten, wenn vorprozessuale Rechtsberatung angeboten wird und iÜ der Zugang zum Recht gewährleistet ist. Dies ist in Deutschland wegen der Möglichkeit der Beratungshilfe (§ 10 BerHG für grenzüberschreitende Fälle innerhalb der EU) gegeben (Zö/Geimer Rz 4). Mit Rücksicht auf das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung und angesichts des Richtlinienzwecks – nämlich den Zugang zum Recht in grenzüberschreitenden Angelegenheiten zu verbessern – dürfen jedenfalls an die Prüfung der Erfolgsaussichten iSv § 114 S 1 keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden.
Rn 2
Da § 1076 die RL 2003/8/EG umsetzt, gilt die Vorschrift nur im sachlichen Anwendungsbereich der RL gem ihrem Art 1 II, dh in Zivil- und Handelssachen, nicht aber in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Der Ausnahmekatalog des Art 1 II Brüssel-Ia-VO findet keine Anwendung, sodass §§ 1076–1078 auch in familienrechtlichen, erbrechtlichen und insolvenzrechtlichen Angelegenheiten anzuwenden sind. Zu den Zivilsachen gehören auch privatrechtliche Patentstreitigkeiten sowie arbeitsrechtliche Fälle (Jastrow MDR 04, 75, 76).
Rn 3
Die RL 2003/8/EG betrifft gem ihrem Art 3 I nur natürliche Personen. Für juristische Personen gilt § 116 S 1 Nr 2 (s § 116 Rn 12 ff).
Rn 4
Gem Art 1 III der RL 2003/8/EG ist Dänemark nicht Mitgliedstaat iSd RL. Somit sind auch §§ 1076–1078 im Verhältnis zu Dänemark nicht anwendbar.