Gesetzestext
Ist die Unzuständigkeit eines Gerichts auf Grund der Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte rechtskräftig ausgesprochen, so ist diese Entscheidung für das Gericht bindend, bei dem die Sache später anhängig wird.
Rn 1
Die Norm soll divergierende Entscheidungen und das Entstehen negativer Kompetenzkonflikte mit einem sich daran anschließenden Verfahren nach § 36 verhindern; sie ist daher als Ergänzung von § 281 I 1 und § 506 I sowie §§ 696 I 1, 700 III zu sehen (BGH NJW 97, 869 [BGH 13.11.1996 - XII ARZ 17/96]) und weit auszulegen (RGZ 66, 17). Regelungen der ausschl Zuständigkeit gehen § 11 vor (RGZ 66, 17). Nach dem Wortlaut und aus dem Regelungszusammenhang heraus gilt § 11 zunächst für die sachliche, nicht hingegen für die örtliche Zuständigkeit (BGH NJW 97, 948). Für die funktionelle Zuständigkeit (BGH aaO; München NJW 56, 187; Oldenburg FamRZ 78, 344, hM) wie auch für das Verhältnis zwischen freiwilliger und str Gerichtsbarkeit (BGHZ 97, 287, für WEG nicht mehr aktuell) sowie zwischen ordentlichen und besonderen Gerichten iSd § 14 GVG (hM, MüKoZPO/Wöstmann § 11 Rz 2; Zö/Schultzky § 11 Rz 2; St/J/Roth § 11 Rz 9 mN zur aA) gilt die Norm entsprechend. Nicht anzuwenden ist sie auf Schiedssprüche (RGZ 52, 283) und auf das Verhältnis zwischen einem inländischen und einem ausländischen Gericht (Musielak/Voit/Heinrich § 11 Rz 2). § 48 ArbGG verweist nicht auf § 11 ZPO.
Rn 2
Die Bindungswirkung geht nicht nur von Urteilen, sondern auch von rechtskräftigen Beschlüssen aus (hM, St/J/Roth § 11 Rz 6; MüKoZPO/Wöstmann § 11 Rz 3); letzteres geht mit der Anwendung der Norm ua auf das Verhältnis zur freiwilligen Gerichtsbarkeit und ihrer Geltung im Verfahren der Zwangsvollstreckung notwendig einher (München NJW 56, 187). Die Zuständigkeit muss Hauptfrage sein, nicht nur Vorfrage wie etwa bei Ablehnung von PKH. Entscheidungen übergeordneter Gerichte sind bindend, wie wenn das Ausgangsgericht sie erlassen hätte.
Rn 3
Hat ein Gericht seine Zuständigkeit im Anwendungsbereich des § 11 verneint, gilt dies für alle Gerichte derselben Stufe, bei der Entscheidung eines AG mithin für alle AG (hM, St/J/Roth § 11 Rz 2; MüKoZPO/Wöstmann § 11 Rz 4). Hieran sind auch Gerichte des höheren Rechtszuges gebunden. Eine Bindung in der Sache findet nicht statt; das im Falle einer Fehlentscheidung des ersten Gerichts nur aufgrund § 11 zuständige Gericht hat die volle Prüfkompetenz, wie wenn das erste Gericht zu erkennen hätte (St/J/Roth § 11 Rz 2).
Der Umfang der Bindung ist nach dem Wortlaut der Norm rein negativ zu sehen. Das zweite Gericht darf lediglich die Zuständigkeit des ersten Gerichts nicht bejahen, es ist jedoch in der Frage der eigenen Zuständigkeit an dessen Auffassung nicht gebunden. Die Verweisung an ein drittes Gericht kommt demnach in Betracht.
Rn 4
Verneint das zweite Gericht entgegen § 11 seine Zuständigkeit, greift § 36 I Nr 6 ein (BGHZ 17, 168; BGH NJW 97, 869). Das gilt auch bei Erlass eines Verweisungsbeschlusses nach § 281 I 1 (München NJW 56, 187; MüKoZPO/Wöstmann § 11 Rz 7; Musielak/Voit/Heinrich § 11 Rz 5; Zö/Schultzky § 11 Rz 4; aA St/J/Roth § 11 Rz 7; offengelassen in BGH NJW 97, 869 [BGH 13.11.1996 - XII ARZ 17/96]).