Gesetzestext
(1) 1Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. 2Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
A. Allgemeines.
I. Zweck der Prozesskostenhilfe.
Rn 1
Durch die Prozesskostenhilfe soll sichergestellt werden, dass jedermann unabhängig von seinen wirtschaftlichen Verhältnissen im Wesentlichen den gleichen Zugang zu den Gerichten erhält. Prozesskostenhilfe ist also eine Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege (vgl BGH FamRZ 12, 1629). Bedingt durch die Vorschusspflichten sowohl hinsichtlich der Gerichtskosten als auch hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren reicht der Kostenerstattungsanspruch gegen die Gegenseite von vornherein nicht aus, um einer bedürftigen Partei die Möglichkeit zur Prozessführung zu geben.
II. Verfassungsrechtliche Grundlagen.
Rn 2
Die Verpflichtung des Staates, unbemittelten Parteien wie bemittelten Parteien gleichen Zugang zu den Gerichten zu verschaffen, folgt aus Art 3 I GG iVm Art 20 III GG (Rechtsschutzgleichheit). Verfassungsrechtlich ist es grds unbedenklich, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung/Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Eine vollständige Gleichstellung von bemittelten und unbemittelten ist nicht erforderlich, vielmehr ist eine Gleichstellung einer unbemittelten Partei mit einer bemittelten Partei ausreichend, die ihre Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist dann geboten, wenn ein Gericht von höchstrichterlicher Rspr abweichen will, oder wenn die Entscheidung von der Beurteilung einer schwierigen Rechtsfrage abhängt (BVerfG Beschl v 29.9.15 – 1 BvR 1125/14; BVerfG FamRZ 07, 1876 = NJW 08, 1060 – Fall Gäfgen). Eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtsschutzgleichheit liegt insb dann vor, wenn die Fachgerichte, denen die Beachtung des verfassungsrechtlich geschützten Zwecks der Prozesskostenhilfe obliegt, bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften die Anforderungen an die Erfolgsaussicht überspannen (BVerfG FamRZ 20, 1559). Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe darf daher nur dann wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfG FamRZ 05, 1893). Außerdem muss das Gericht hinreichende Feststellungen treffen, die seine Entscheidung begründen, insb, wenn es eine Tatsachenfeststellung aufgrund eigener Sachkunde treffen will (BVerfG FamRZ 10, 793 zum fiktiven Einkommen bei gesteigerter Unterhaltsverpflichtung). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat idR bereits dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- und Tatfragen abhängig ist (BVerfG NJW 10, 1647; BGH FamRZ 07, 1006; Saarbr FamFR 11, 445, dort zu § 1605 II BGB). Dies gilt auch, wenn keiner der eng begrenzten Ausnahmefälle vorliegt, in denen im PKH-Prüfungsverfahren eine Beweisantizipation statthaft ist (BVerfG NJW 08, 1060 [BVerfG 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07]; s dazu auch Rn 28). In beiden Fällen ist stets der Grundsatz zu berücksichtigen, dass die PKH nicht den Rechtsschutz bieten, sondern diesen erst überhaupt zugänglich machen soll. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht zu einer Verlagerung des Hauptsacheverfahrens in das PKH-Verfahren führen (BVerfGE 81, 347). Wenn eine zur Beurteilung von Grundrechtspositionen notwendige Einzelfallbetrachtung erfolgen muss, kann diese nicht im PKH-Prüfungsverfahren erfolgen, wenn sich in objektiver Weise Anhaltspunkte dafür ergeben, dass in der Hauptsache Erfolgsaussicht besteht. (Zur Erteilung eines Visums) (BVerfG FamRZ 16, 1341). Das Gericht hat ferner auch im PKH-Prüfungsverfahren die Verpflichtung, Hinweise gem § 139 zu geben, und zwar im gleichen Umfang wie im Hauptsacheverfahren (BVerfG FamRZ 08, 131). Verfassungsrechtlich ist es außerdem geboten, dass das Gericht seine Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht im Nachhinein trifft, dementsprechend seine Erkenntnisse aus dem Hauptsacheverfahren in die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe mit einfließen lässt (BVerfG NJW 05, 3489; Saarbr NJW 11, 1460). Schließlich dürfen die Gerichte auch nicht in einer den verfassungsgebotenen Zweck der Prozesskostenhilfe verkennenden Weise die Mutwilligkeit einer beabsichtigten Rechtsverfolgung annehmen; dies ist aber etwa der Fall, wenn Prozesskostenhilfe ver...