1. Gesonderte Antragstellung.
Rn 13
Für das Rechtsmittelverfahren ist gesondert PKH zu beantragen und zu bewilligen (zum PKH-Antrag für eine beabsichtigte Berufung s § 117 Rn 30). Es gelten die gleichen Grundsätze wie in der 1. Instanz. Es muss eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt werden (BGH FamRZ 06, 1522). Es reicht aus, auf das in der Vorinstanz benutzte Formular zu verweisen, wenn dieses genügte, um die Bedürftigkeit darzulegen, und die Verhältnisse unverändert geblieben sind. Dann muss die Partei beziehungsweise der Anwalt dies versichern (BGH FamRZ 04, 1961 mit Anm Völker jurisPR-FamR 2/05 Anm 4). Die Partei darf auf die Bewilligung für die höhere Instanz vertrauen, wenn sie an ihrer Hilfsbedürftigkeit selbst im Hinblick auf zwischenzeitliche Einkommenserhöhungen keinen Zweifel haben muss (BGH FamRZ 99, 664). Ein solches Vertrauen ist idR nicht gerechtfertigt, wenn die Bewilligung in 1. Instanz offensichtlich unrichtig war, zB weil der Anspruch auf Leistung eines Prozesskostenvorschusses übersehen wurde (Naumbg FamRZ 02, 1266). Dieses Vertrauen ist nicht mehr gerechtfertigt, wenn die Partei oder ihr anwaltlicher Vertreter erkennen muss, dass Zweifel am Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben sind, Ein solcher Zweifel besteht insb, wenn das Gericht einen Hinweis gegeben hat (BGH NJW-RR 15, 703 [BGH 13.01.2015 - VI ZB 61/14]). Die Begründung des PKH-Gesuchs muss nicht den Anforderungen an eine Berufungsbegründung entsprechen, auch nicht, wenn die Antragsschrift durch einen Rechtsanwalt gefertigt ist. Allerdings ist eine Begründung erforderlich, die zumindest erkennen lässt, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die erstinstanzliche Entscheidung angefochten wird (Celle MDR 03, 470).
2. PKH für den Rechtsmittelgegner.
Rn 14
Dem Gegner des Rechtsmittelführers ist PKH ohne Prüfung der Erfolgsaussichten und der Mutwilligkeit zu bewilligen. Fraglich ist allerdings, ab welchem Zeitpunkt die Notwendigkeit zur Verteidigung gegen das Rechtsmittel besteht. Grds ist PKH für den Berufungsgegner erst dann zu bewilligen, wenn der Berufungsführer das Rechtsmittel begründet hat und die Voraussetzungen für eine Verwerfung des Rechtsmittels nicht gegeben sind, jedenfalls dann, wenn der Rechtsmittelgegner in der 1. Instanz anwaltlich vertreten war (BGH FamRZ 13, 122; NJW-RR 01, 1009). Teilweise wurde sogar angenommen, dass eine Verteidigung des Berufungsbeklagten nicht erforderlich ist, solange das Berufungsgericht ihn nicht zur Erwiderung aufgefordert und keinen Termin anberaumt hat (Celle MDR 04, 598). Dem Beklagten ist auch dann PKH zu bewilligen, wenn noch die Möglichkeit zur Zurückweisung der Berufung durch Beschl nach § 522 II besteht. Eine Rechtsverteidigung ist deshalb nicht mutwillig (BGH NJW-RR 17, 1273; BGH FamRZ 10, 1147, BGH FamRZ 10, 1423). Der zuvor bestehende Streit ist damit entschieden. Eine Bewilligung von PKH für den Revisionsgegner kommt aber erst dann in Betracht, wenn der Revisionsführer die Revision begründet hat und auch nicht mehr die Möglichkeit der Verwerfung der Revision durch Beschl gem § 554a besteht (BGH NJW-RR 01, 1009). Offengelassen hat der BGH noch die Frage, ob PKH zu bewilligen ist, wenn über ein vom Rechtsmittelführer gestelltes PKH-Gesuch noch nicht entschieden ist, noch kein Termin anberaumt ist und noch nicht entschieden ist, ob die Revision durchgeführt wird (BGH FamRZ 10, 1147).
3. Ausnahmen.
Rn 15
Hintergrund der Regelung in § 119 ist, dass das erstinstanzliche Urt eine Vermutung dahingehend begründet, dass das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann erfordert der PKH-Antrag des Rechtsmittelgegners eine gesonderte Prüfung. Will das Gericht allerdings von der Regelung in § 119 abweichen und dem in 1. Instanz obsiegenden Rechtsmittelgegner keine PKH bewilligen, dann muss dies gesondert begründet werden, da ansonsten die Entscheidung willkürlich ist, Art 3 I GG (BVerfGE 72, 122 [BVerfG 18.06.1986 - 1 BvR 857/85]; BVerfG NJW 05, 409; BVerfG Beschl v 9.1.90 – 2 BvR 1631/88; jeweils unter Offenlassung der Frage, ob und ggf in welchen Grenzen trotz des eindeutigen Wortlauts von § 119 I 2 diese Vorschrift in Ausnahmefällen eine Prüfung der Erfolgsaussichten erlaubt; ebenso BVerfG NJW 10, 987 [BVerfG 29.12.2009 - 1 BvR 1781/09], allerdings wurde die Verfassungswidrigkeit hier auf die Verletzung der in Art 3 I iVm 20 III GG verbrieften Rechtsschutzgleichheit gestützt). Ein Ausnahmefall kann vorliegen, wenn die Berufung auf einer Änderung der Rechtslage oder der höchstrichterlichen Rspr beruht (Celle FamRZ 77, 648). Oder, wenn der Rechtsmittelgegner in vorwerfbarer Weise ein unrichtiges Urt herbeigeführt hat (Karlsr FamRZ 99, 796). Das kann der Fall sein, wenn der Beschwerdegegner die ihn begünstigende Entscheidung vorwerfbar falsch herbeigeführt hat. (unzureichende Aufklärung seiner Einkommensverhältnisse) (Brandbg FamRZ 13, 1325). Auch wenn das angefochtene Urt offensichtlich falsch ist, erhält der Rechtsmittelgegner keine PKH (Brandbg Fam...