Rn 17

Meist versteht man hierunter die missbräuchliche Zuständigkeitserschleichung, wie sie va im Bereich des Insolvenzrechts die Gerichte beschäftigt (vgl BGHZ 132, 195, 196; BayObLGZ 03, 229, 232; ZIP 20, 1979; Celle NJW-RR 04, 627, 628; Stuttg OLGR 04, 184; Oldbg MDR 08, 772). Im IZPR kennt man auch den Begriff des ›forum shopping‹ (vgl BGH NJW 02, 960 [BGH 18.09.2001 - IX ZB 51/00]; MüKoZPO/Patzina Rz 103). Allgemein kann von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass durch missbräuchliches Handeln eine Zuständigkeit des Gerichts wegen Verstoßes gegen Art 101 I 2 GG (Wahrung des gesetzlichen Richters) nicht begründet werden kann (vgl BayObLGZ 03, 229, 232; Celle NJW-RR 04, 627, 628 [OLG Celle 16.12.2003 - 2 W 117/03]; Zö/Schultzky Rz 19). Ein missbräuchliches Verhalten kann zB in der (versuchten) Täuschung der beteiligten Richter über die den ›wahren‹ Gerichtsstand bestimmenden Umstände liegen (BayObLGZ 03, 229, 232), in der Anrufung eines anderen Gerichts mit Hilfe einer nur scheinbaren Anspruchsbegründung zur Überspielung der Entscheidung des gesetzlich zuständigen Richters (vgl BGH MDR 84, 383; KG FamRZ 89, 1105), ferner bei Einrichtung typischer Briefkastenanschriften, die von lediglich formaler und meistens manipulativer Bedeutung sind (offengelassen bei BGHZ 132, 195, 196 für den Bereich der KO aF) und bei nur formaler oder manipulativer Sitzverlegung (Zö/Schultzky Rz 19; offengelassen bei BGHZ 132, 195, 196; s.a. § 17); zur erschlichenen Verweisung s § 281 Rn 52). Davon zu unterscheiden sind die Sachverhalte, in denen ein bestehender Gerichtsstand vom Kl missbräuchlich in Anspruch genommen wird (Zö/Schultzky Rz 19; zur Problematik des sog fliegenden Gerichtsstands s § 32 Rn 14, 15). Dabei handelt es sich allerdings um ein Problem des allg Rechtsschutzbedürfnisses und nicht um eine Frage der örtlichen Zuständigkeit (vgl Hamm NJW 87, 138 [OLG Hamm 15.05.1986 - 4 U 326/85]; KG GRUR-RR 08, 212 ff; Zö/Schultzky Rz 19). Daneben gibt es Fälle, in denen dem Bekl bzw Antragsgegner die Erhebung der Zuständigkeitsrüge wegen Treuwidrigkeit verwehrt ist (Zö/Schultzky § 39 Rz 5; St/J/Roth § 1 Rz 13; für die internationale Zuständigkeit vgl Karlsr IPrax 20, 465) oder die rügelose Einlassung nach § 39 treuwidrig wäre. Dogmatisch stellt dies ein Problem der wirksam erhobenen Zuständigkeitsrüge bzw der wirksamen rügelosen Einlassung dar. Für die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben bei Erhebung der Zuständigkeitsrüge reicht es grds nicht aus, dass der Bekl bzw Antragsgegner keine sachlichen Einwendungen gegen den geltend gemachten Anspruch hat, weil die Begründetheit des Anspruchs gerade vom zuständigen Gericht zu überprüfen ist (Zö/Schultzky § 39 Rz 5; vgl auch Frankf MDR 80, 318; Ddorf MDR 77, 762f). Allerdings wird man von einer treuwidrigen Zuständigkeitsrüge ausgehen können, wenn der Verwender von AGB sich auf die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung seiner AGB beruft (vgl Zö/Schultzky § 39 Rz 5; Bülow VersR 76, 415, 417) oder wenn in einer unwirksamen Regelung das Gericht am Sitz des geschützten Vertragspartners vereinbart worden war und der Prozessgegner sich auf einen nicht zu seinen Gunsten dienenden gesetzlichen Schutz beruft (Bremen MDR 21, 900 [OLG Bremen 03.06.2021 - 3 AR 6/21]). Zur treuwidrigen rügelosen Einlassung s § 39 Rn 11.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge