Rn 11
Ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig, darf das Gericht als Prozessstoff nur berücksichtigen, was Gegenstand der mündlichen Verhandlung war (BAG NJW 96, 1166 [BFH 21.08.1995 - VI R 30/95]; BGH NJW 95, 1841; St/J/Kern Rz 9, 30). Gemäß § 137 III zulässig in Bezug genommene Schriftstücke stehen dem mündlich Vorgetragenen gleich (St/J/Kern Rz 31). Ebenso werden Anträge gem § 297 II durch Bezugnahme zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Unerheblich ist, ob der Inhalt der in Bezug genommenen Urkunde günstig oder ungünstig für die vortragende Partei ist (BGH NJW 84, 128 [BGH 13.04.1983 - VIII ZR 320/80]). Ein Verstoß gegen Abs 1 liegt jedoch vor, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung in Bezug genommene Unterlagen berücksichtigt, die dem Schriftsatz nicht beigefügt waren, sondern in einem anderen Verfahren überreicht wurden (BGH NJW 95, 1841). Beigezogene Akten, deren Inhalt nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, dürfen im Urt nicht verwertet werden (St/J/Kern Rz 37). Das Gleiche gilt für die Beweisführung mit Urkunden (St/J/Kern Rz 36) und Tatsachen, die das Gericht im Bereich der Untersuchungsmaxime vAw berücksichtigen will (R/S/G § 79 Rz 32). Ein Verstoß gegen Abs 1 liegt auch vor, wenn die mündliche Verhandlung über die Beweisaufnahme nach § 285 I unterbleibt (BGH LM § 273 BGB Nr 6). Über das Ergebnis der Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder ersuchten Richter haben die Parteien gem § 285 II vorzutragen, obwohl es bereits Prozessstoff und damit Urteilsgrundlage ist. Auch für den Parteivortrag nach § 285 II genügt die Bezugnahme auf die Beweisprotokolle gem § 137 III (St/J/Kern Rz 38).
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsätze dürfen nur berücksichtigt werden, wenn sie gem § 283 nachgelassen wurden (§ 296a). Durch die Berücksichtigung unzulässigerweise nachgereichter und damit mündlich nicht vorgetragener Schriftsätze wird gegen Abs 1 verstoßen (Köln NJW-RR 91, 1536 [OLG Köln 01.07.1991 - 13 U 50/91]). Umstritten ist, ob das auch für bloße Rechtsausführungen und für Schriftsätze gilt, die das mündlich Vorgetragene nur wiederholen oder zusammenfassen (dagegen Walchshöfer NJW 72, 1028 [BVerfG 26.01.1972 - 2 BvR 255/67]; krit hierzu St/J/Kern Rz 35). Abs 1 ist zudem verletzt, wenn das Gericht die mündliche Verhandlung im Anschluss an einen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis nicht wiedereröffnet (§ 156), den Parteien aber dennoch, ohne dass die Voraussetzungen des Abs 2 vorlagen, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG NJW 96, 2749 [BAG 23.01.1996 - 9 AZR 600/93]).
Aus dem Mündlichkeitsgrundsatz folgt andererseits, dass das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen muss, was nur mündlich vorgetragen wurde, dh schriftsätzlich nicht vorbereitet wurde; ggf ist nach § 283 zu verfahren (Zö/Greger Rz 1).