Rn 5

Das Mündlichkeitsprinzip birgt aber auch Gefahren in sich, die aus der Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes und der Schwierigkeit resultieren, komplexe Sachverhalte und Rechtsfragen in mündlicher Rede verständlich zu machen (R/S/G § 79 Rz 7). Es wird daher in der ZPO an zahlreichen Stellen modifiziert und durchbrochen, um eine schriftliche Fixierung des Streitstoffs zu ermöglichen (Musielak/Voit/Stadler Rz 1). Die wichtigsten Durchbrechungen sind: die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung durch Schriftsätze (§ 129), die Bezugnahme auf Schriftstücke in der mündlichen Verhandlung (§ 137 III), das schriftliche Vorverfahren (§ 276), der Protokollierungszwang (§§ 160, 510a), die Wiedergabe des Parteivorbringens im Urteilstatbestand (§ 313 I Nr 5, II) und die für einzelne Prozesshandlungen vorgesehene Schriftform. Ferner enthalten die §§ 139 V, 283 für nachgereichte Schriftsätze Besonderheiten. Darüber hinaus sehen Abs 2–4 ausnahmsweise die Möglichkeit vor, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, um das Verfahren zu vereinfachen. Diese Vorschriften werden ergänzt durch § 495a, der es dem Gericht im amtsgerichtlichen Bagatellverfahren auch vAw ermöglicht, das schriftliche Verfahren anzuordnen. Ferner kann im schriftlichen Vorverfahren ein Versäumnis- oder Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung ergehen (§§ 307 II, 331 III). Gemäß § 278 VI kann ein gerichtlicher Vergleich im schriftlichen Verfahren geschlossen werden. Reine Schriftlichkeit herrscht im Mahnverfahren (§§ 688 ff). Auch im PKH-Verfahren wird idR ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 127 I 1). § 128a schafft die Grundlage für die Durchführung der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz. Trotz dieser Einschränkungen des Mündlichkeitsprinzips ist ohne Zweifel von dessen unveränderter Fortgeltung im Zivilverfahren auszugehen.

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