Rn 5
Nach der Begriffsbestimmung (s Rn 3) ist die Begründung des selbstständigen Wohnsitzes von der tatsächlichen Niederlassung und einem Domizilwillen abhängig. Das Unterhalten und die Nutzung einer vollständig möblierten Wohnung reichen deshalb für sich genommen noch nicht, um einen Wohnsitz zu begründen (BGH NJW 06, 1808, 1809 [BGH 28.03.2006 - VIII ZB 100/04]). Auch die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift rechtfertigt nicht den Schluss auf einen Wohnsitz (BayObLG MMR 23, 719). Die Wohnsitzbegründung stellt eine geschäftsähnliche Handlung dar (hM; BGHZ 7, 104, 109; BayObLG Rpfleger 90, 73 f; PWW/Prütting § 7 Rz 4, 8; MüKoZPO/Patzina Rz 9). Sie erfordert Geschäftsfähigkeit. Geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Personen können allein keinen wirksamen Wohnsitz begründen (§ 8 I BGB). Eine Ausnahme gilt für Minderjährige, die verheiratet sind oder waren (§ 8 II BGB). Bei Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit ist diese nach allg Grundsätzen zu unterstellen (vgl BGH NJW-RR 88, 387 [BGH 25.03.1987 - IVb ARZ 6/87]; BayObLG Rpfleger 90, 73 f; Zö/Schultzky Rz 7). Zur Wohnsitzbegründung bei Kindern s näher Rn 8. Durch Anordnung einer Betreuung (§ 1814 BGB nF) wird die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen nicht eingeschränkt, so dass dieser wirksam einen Wohnsitz begründen kann. Anderes gilt nur, wenn der Betroffene geschäftsunfähig ist (§ 104 Nr 2 BGB; vgl BayObLG NJW-RR 93, 460) und bei Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (vgl § 1825 BGB nF iVm §§ 108 ff BGB), der sich auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht bezieht (vgl § 1843 II BGB nF; § 309 FamFG; BayObLG FamRZ 93, 852, 853). Dann kann der Betreuer, dessen Aufgabenkreis das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst, allein über die Wohnsitznahme des Betroffenen entscheiden. Denn das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Betreuers umfasst neben der Bestimmung des tatsächlichen Aufenthalts auch alle mit der Änderung des Wohnsitzes erforderlichen rechtsgeschäftlichen und geschäftsähnlichen Handlungen (vgl BayObLG FamRZ 99, 1300, 1301; FamRZ 93, 852, 853; NJW-RR 93, 460, 461; MüKoBGB/Schwab § 1896 Rz 79; aA LG Köln FamRZ 92, 857 f; Staud/Bienwald § 1903 Rz 21). Wird ein Betroffener auf Antrag seines Betreuers dauerhaft untergebracht (vgl § 1906), so liegt darin regelmäßig eine Wohnsitzbegründung (vgl MüKoBGB/Schmitt § 7 Rz 32 mwN). Bei der Wohnungs- bzw Hausauflösung durch den Betreuer ist die Genehmigungs-/Anzeigepflicht nach §§ 1833, 1850 BGB nF zu beachten. Der zur Wohnsitzbegründung erforderliche Domizilwille braucht nicht ausdr erklärt zu werden, sondern kann sich aus den Gesamtumständen ergeben (vgl BGHZ 7, 104, 109 f; BGH NJW 06, 1808, 1809; MüKoBGB/Schmitt § 7 Rz 25; Grüneberg/Ellenberger § 7 Rz 7). Da der Wohnsitz an die ständige Niederlassung der Person gebunden ist, genügt ein Aufenthalt zu einem vorübergehenden Zweck nicht, auch wenn eine Zustellung an diesem Ort wirksam sein kann (Köln NJW-RR 03, 864 [OLG Köln 28.10.2002 - 16 U 69/02]). Deshalb tritt grds durch Studienaufenthalte (BVerfG NJW 90, 2193, 2194 [BVerfG 22.06.1990 - 2 BvR 116/90]; Ddorf NJW-RR 91, 1411; Grüneberg/Ellenberger § 7 Rz 7; Zö/Schultzky Rz 5), auch beim Studium im Ausland (Hamm FamRZ 02, 54; Frankf FamRZ 09, 796, 796), Ferienaufenthalte (PWW/Prütting § 7 Rz 5), Krankenhausaufenthalte (PWW/Prütting § 7 Rz 5; zu deren vorübergehenden Charakter vgl BayObLG NJW 93, 670 [BayObLG 23.07.1992 - 3 Z AR 102/92]), beim Ableisten der allg Wehrpflicht bzw Wehrübungen (PWW/Prütting § 7 Rz 8) keine Änderung des Wohnsitzes ein. Auch die Strafhaft begründet keinen neuen Wohnsitz (BGH NJW-RR 96, 1217; Brandbg ZInsO 20, 380; Zö/Schultzky Rz 5). Diesen Grundsatz wird man auf alle Arten der Haftunterbringung erstrecken können, da ein Domizilwille bei unfreiwilligen Aufenthalten in Haftanstalten nicht gegeben ist (vgl München NZI 16, 698; Brandbg 12.10.20 – 1 AR 28/20). In den vorgenannten Fällen kann aber – gerade bei Haft von längerer Dauer – der besondere Gerichtsstand des § 20 eröffnet sein (BGH NJW 97, 1154 [BGH 21.01.1997 - X ARZ 1283/96]; München NZI 16, 698 [OLG München 01.07.2016 - 34 AR 77/16]). Am Dienst- oder Arbeitsplatz besteht nur im Ausnahmefall ein Wohnsitz (PWW/Prütting § 7 Rz 5; Zö/Schultzky Rz 5; Grüneberg/Ellenberger § 7 Rz 7). Beim Aufenthalt in einem Frauenhaus entscheiden die Umstände des Einzelfalls. Ein weniger als drei Wochen dauernder Aufenthalt reicht allein nicht aus, um einen Wohnsitz zu begründen (BGH NJW 95, 1224 f [BGH 14.12.1994 - XII ARZ 33/94]). Das Gleiche gilt für einen von außen erzwungenen Aufenthaltswechsel in ein Frauenhaus (BGH NJW-RR 93, 4 [BGH 26.08.1992 - XII ARZ 21/92]). Soll der Aufenthalt aber nicht nur vorübergehender Natur sein und tritt der Wille der Frau erkennbar hervor, sich dauerhaft im Frauenhaus aufhalten und dort den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse begründen zu wollen, so liegen die Voraussetzungen des § 7 BGB vor (vgl Karlsr NJW-RR 09, 1598, 1599; Hamm NJW-RR 97, 1165; FamRZ 00, 1294; Nürnbg NJW-RR 97, 514, 1025; Staud/Weick § 7 Rz ...