Gesetzestext
(1) Die Partei ist, wenn sie rechtzeitig aufgefordert wird, verpflichtet, die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf die sie in einem vorbereitenden Schriftsatz Bezug genommen hat, vor der mündlichen Verhandlung auf der Geschäftsstelle niederzulegen und den Gegner von der Niederlegung zu benachrichtigen.
(2) 1Der Gegner hat zur Einsicht der Urkunden eine Frist von drei Tagen. 2Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert oder abgekürzt werden.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 134 gibt dem Prozessgegner einer Partei, die sich in ihrem Vorbringen auf eine Urkunde bezieht, die Gelegenheit, sich von der Echtheit der Urkunde anhand des Originals zu überzeugen (grdl Schreiber S 50 ff). Nach § 131 erhält der Gegner lediglich eine Abschrift oder eine (unbeglaubigte) Ablichtung; gleiches gilt iRv § 133, so dass diese Vorschriften für die Prüfung der Echtheit der Urkunde nicht hilfreich sind. Um das Original nicht aus der Hand geben zu müssen, wird in der Praxis regelmäßig nach entsprechender Vorankündigung die Original-Urkunde in der mündlichen Verhandlung vorgelegt.
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Vorschrift gilt sowohl für den Anwaltsals auch für den Parteiprozess. Auch im Anwaltsprozess hat die Naturalpartei ein eigenes Einsichtsrecht. Aufforderung, Benachrichtigung und Einsichtnahme nach § 134 unterliegen damit nicht dem Anwaltszwang (MüKoZPO/Wagner § 134 Rz 1; Musielak/Voit/Stadler § 134 Rz 1; aA Zö/Greger § 134 Rz 3). Für den förmlichen Urkundenbeweis gelten die vorrangigen Sonderregeln der §§ 420 ff. Für Urkunden in den Händen Dritter gilt § 142.
C. Niederlegung.
Rn 3
Gemäß I ist das Original der Urkunde vor der mündlichen Verhandlung auf der Geschäftsstelle des Prozessgerichts niederzulegen, sofern die Partei hierzu rechtzeitig aufgefordert wurde. Rechtzeitig meint dabei ohne schuldhaftes Zögern iSv § 121 I 1 BGB noch vor Schluss der nächsten mündlichen Verhandlung zur Sache, §§ 136 IV, 296a bzw vor dem diesem Schluss gleichstehenden Zeitpunkt im schriftlichen Verfahren (§ 128 II). Entscheidend ist nach den Umständen des Einzelfalles, ob die Partei der Aufforderung bei unverzüglicher Bemühung nachkommen kann (Anders/Gehle/Anders ZPO § 134 Rz 5).
Die Niederlegung begründet ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis: Bei Verlust der Urkunde entsteht ein Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB wegen Amtspflichtverletzung. Die Versendung der Originalurkunde vom Prozessgericht an ein anderes Gericht (da der Gegner zB seinen allgemeinen Gerichtsstand andernorts hat) bedarf der vorherigen Zustimmung der vorlegenden Partei (Zö/Greger § 134 Rz 3; zweifelnd St/J/Kern § 134 Rz 6; aA, dh keine Zustimmung der vorlegenden Partei erforderlich MüKoZPO/Wagner § 134 Rz 3).
Die nach Abs 2 recht kurz bemessene Einsichtnahmefrist beträgt drei Tage. Nach Abs 2 S 2 kann der Vorsitzende die Frist auf Antrag des Gegners verlängern und auch verkürzen – was aber erst nach vorherige Anhörung statthaft ist (§§ 224 ff). Bei den von einer Partei nach § 134 oder von Dritten nach § 142 eingereichten Originalurkunden ergibt sich aus § 133 ein Anspruch für die Gegenpartei auf Übersendung einer Kopie (Karlsr NJW-RR 13, 312).
D. Verstoß.
Rn 4
Die verspätete oder unterbliebene Niederlegung hat dieselben Folgen wie ein Verstoß gegen § 129. Insbesondere bleibt die Bezugnahme auf eine nicht vorgelegte Urkunde unbeachtlich (nach MüKoZPO/Wagner § 134 Rz 6 und Musielak/Voit/Stadler § 134 Rz 3 tritt diese Folge nur bei gerichtlicher Aufforderung ein, nicht jedoch bei Aufforderung durch den Gegner). Unterlässt der Gegner die Aufforderung oder die Einsichtnahme, kann der Gegner mit einer nachträglichen Beweiseinrede ausgeschlossen werden, wenn die Voraussetzungen der §§ 282 I, 296 II erfüllt sind und die Verzögerung der Beweiseinrede gerade daraus resultiert, dass der Gegner das Einsichtsrecht nicht ausgeübt hat (Zö/Greger § 134 Rz 5; Musielak/Voit/Stadler § 134 Rz 4; aA St/J/Kern § 134 Rz 4).