I. Anwendungsbereich.
Rn 12
Das Gericht hat Abs 3 gem alle unbestrittenen Behauptungen als zugestanden anzusehen und muss diese als Streitstoff seinem Urt zugrunde legen. Dies ist Ausfluss des Beibringungsgrundsatzes. Aufgrund dessen findet Abs 3 nur in Verfahren mit Beibringungsgrundsatz Anwendung (allerdings auch in der Zwangsvollstreckung, Kobl MDR 97, 883), jedoch nicht in den Verfahren der Untersuchungsmaxime und ebenso wenig in den Fällen der Prüfung vAw (str, aA Musielak/Voit/Stadler Rz 12). Beim Versäumnisverfahren gelten die Sondervorschriften der §§ 330 ff, 542. Abs 3 gilt auch für tatsächlich vorgebrachte, aber verspätete Behauptungen des Gegners. Auch Abs 3 gilt lediglich für Tatsachen, also nicht für Umstände, denen eine wertende Betrachtung zugrunde liegt.
II. Voraussetzungen.
Rn 13
Voraussetzung für die Geständniswirkung des Abs 3 ist, dass die belastete Partei das Vorbringen des Gegners weder ausdrücklich noch konkludent bestreitet. Ausdrückliches Bestreiten (›die Behauptung X trifft nicht zu‹) stellt den Regelfall im Prozessalltag dar. Wie substantiiert dieses Bestreiten sein muss, richtet sich nach dem Substantiierungsgrad des von der anderen Partei Vorgebrachten (Rn 10). Noch kein Bestreiten stellt der Antrag des Prozessbevollmächtigten dar, die Klage abzuweisen, weil er keine Informationen erhalten habe. Ebenso ist ein pauschales Bestreiten (›ins Blaue hinein‹) unbeachtlich, zB wenn das gesamte gegnerische Vorbringen bestritten wird. Ein Bestreiten ist auch durch vorangegangenen Vortrag möglich (BGH MDR 22, 1302 [BGH 21.06.2022 - VIII ZR 285/21]).
Konkludentes Bestreiten liegt vor, wenn die Behauptung der Gegenseite nicht in der oben skizzierten Form ausdrücklich bestritten wurde, sich jedoch aus den eigenen Darstellungen ein anderes Bild der Tatsachen ergibt. Bestehen seitens des Gerichts Zweifel darüber, ob bestritten wurde, hat es seiner Aufklärungspflicht nach § 139 nachzukommen. Dies ist insb bei Tatsachen relevant, die eine Partei offensichtlich nicht als entscheidungserheblich erkannt hat und sie infolge dessen nicht ausdrücklich bestritten hat.
Ebenfalls Folge des Beibringungsgrundsatzes ist, dass das Gericht auch das Bestreiten begünstigenden Vorbringens der Gegenseite berücksichtigen muss. Die Behauptungen dürfen nicht zugunsten des Bestreitenden als unstr verwertet werden (BGH NJW 89, 2756).
III. Rechtsfolgen.
Rn 14
Das Nichtbestreiten führt nach Abs 3 zur Geständnisfiktion der vom Gegner behaupteten Tatsachen. Diese sind nicht beweisbedürftig (BGH NJW 87, 499 [BGH 30.09.1986 - X ZR 2/86]). Die Fiktion unterscheidet sich vom förmlichen Geständnis nach § 288 dadurch, dass ihr die Bindungswirkung fehlt. Die Partei kann das Bestreiten im Prozess nachholen, allerdings vorbehaltlich der Präklusion wegen Verspätung (§§ 282, 296, 296a, 530, 531). In den Fällen, in denen ein Geständnis iSd § 288 unbeachtlich wäre (zB aufgrund offenkundiger Unrichtigkeit), greift auch die Wirkung des Abs 3 nicht ein, dh offenkundig unwahre, nicht bestrittene Behauptungen gelten nicht als zugestanden.