I. Grundsätzliches.
Rn 15
Die Erklärung mit Nichtwissen nach Abs 4 stellt einen Sonderfall des Bestreitens dar. Sie ist dann zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis der von der gegnerischen Partei behaupteten Tatsachen hat, weil sie zB nicht Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung waren, oder weil er sie vergessen hat. Um nicht von der Sanktion des Abs 3 erfasst zu werden, erlaubt Abs 4 eine Erklärung über diese Tatsachen auch ohne Wissen über deren Vorliegen.
II. Zulässigkeit.
Rn 16
Grds können nach Abs 4 Erklärungen mit Nichtwissen nur über diejenigen Tatsachen abgegeben werden, die nicht Gegenstand eigener Handlungen oder Wahrnehmungen gewesen sind (BGH ZIP 21, 251 Rz 24; NJW 09, 2894 f). Eine Ausnahme dazu bilden Tatsachen, die in weiter Vergangenheit liegen, sofern die Partei nach der Lebenserfahrung glaubhaft machen kann, dass sie sich nicht zu erinnern vermag (Dötsch MDR 14, 1365). Der dafür maßgebliche Zeitpunkt ist der Moment, in dem sich die Partei vor Gericht zu erklären hat (BGH NJW-RR 02, 612 [BGH 19.04.2001 - I ZR 238/98]). Bestreitet eine Partei nach Abs 4 mit Nichtwissen und macht sie weiterhin nähere Angaben dazu ›ins Blaue hinein‹, so ist dies – auch in Anbetracht des zu Abs 1 Gesagten (Rn 4) – ebenfalls zulässig. Nachforschungsbemühungen der Partei, die sich auf Nichtwissen beruft, sind nur iRd Zumutbarkeit erforderlich (Rust AnwBl 23, 673). Erfolglose Nachforschungsbemühungen hat die Partei, die sich auf Nichtwissen beruft, zu beweisen (BGH BeckRS 19, 3267).
III. Zurechnung fremden Wissens.
Rn 17
Die Zurechnung fremden Wissens erfolgt bei Abs 4 in jedem Fall für das Wissen eines gesetzlichen Vertreters. Auch Informationen, die die Partei bei Personen einholen kann, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht und Verantwortung tätig sind, können nicht mit Nichtwissen bestritten werden. Hierzu gehören auch (selbstständige) Untervermittler, die für die Partei tätig geworden sind (BGH MDR 16, 1129). Auch das Wissen des Streithelfers ist der Partei zuzurechnen. Umgekehrt ist die Erklärung des Streithelfers mit Nichtwissen unzulässig, wenn sie eine Handlung der Hauptpartei betrifft (BGH ZIP 21, 251 Rz 24, 25).
IV. Erkundigungs- und Informationspflicht.
Rn 18
Verfügt die Partei betreffend die behaupteten Tatsachen lediglich über kein aktuelles Wissen, so muss sie sich im Rahmen ihre Erklärungslast nach Abs 2 die notwendigen Informationen – soweit zumutbar – einholen und ihr Wissen auffrischen. Dies kann zB durch das Nachschlagen in eigenen Unterlagen geschehen.
Ebenso ist die Partei verpflichtet, sich das Wissen derjenigen Personen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig sind, einzuholen, da die Partei sich nicht durch arbeitsteilige Organisation ihres Betätigungsbereichs ihrer prozessualen Aufklärungspflichten entziehen können soll (BGH NJW 99, 53 [BGH 07.10.1998 - VIII ZR 100/97]; NJW-RR 02, 612 [BGH 19.04.2001 - I ZR 238/98]; NJW 04, 92 [BAG 01.10.2003 - 1 ABN 62/01]). Demnach stehen Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich den eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen gleich. Dies stellt allerdings auch die Grenze der Informationspflicht dar: Die Partei muss sich nur diese Erkenntnisse einholen, deren Verlust auf die Arbeitsteilung zurückzuführen ist (vgl Zö/Greger Rz 16 mwN).
V. Prozessuale Folgen.
Rn 19
Gibt die Partei unzulässigerweise eine Erklärung mit Nichtwissen ab, hat dies ebenfalls die Geständniswirkung des Abs 3 zur Folge. Ist die Erklärung mit Nichtwissen zulässig, so erhöht dies nicht die Substanziierungsanforderungen der Gegenseite. Es führt nur dazu, dass die mit Nichtwissen bestrittene Behauptung nunmehr beweisbedürftig ist (BGH MDR 19, 119 [BGH 25.09.2018 - VI ZR 234/17] u 212). Versucht die Partei zusätzlich, ihr Bestreiten mit Nichtwissen näher zu begründen, führt dies nicht zur Unbeachtlichkeit des Bestreitens (BGH MDR 19, 242 [BGH 29.11.2018 - I ZR 5/18]).