Rn 15
Bei Gesichtspunkten iSv Abs 2 kann es sich um die materiell- oder verfahrensrechtliche Beurteilung des Streits, um die Behandlung von Tatsachen oder um die Würdigung von Beweisen handeln. Die Hinweispflicht besteht daher bspw hinsichtlich mangelnder Substantiierung des Vortrags (BGH NJW-RR 99, 605 [BGH 13.01.1999 - IV ZR 7/98]) – erst recht wenn die Partei aufgrund einer Beweisaufnahme davon ausgehen durfte, dass das Gericht in dieser Hinsicht keine Bedenken hat (Saarbr MDR 03, 1372 [OLG Saarbrücken 18.06.2003 - 1 U 167/03]) –, hinsichtlich der Schlüssigkeit der Klage (BGH NJW-RR 04, 281, 282 [BGH 05.11.2003 - VIII ZR 380/02]), hinsichtlich der rechtlichen Würdigung des Gerichts – va wenn sich diese im Laufe des Verfahrens verändert (BVerfG NJW 96, 3202 [BVerfG 15.08.1996 - 2 BvR 2600/95]) hat oder von der Auffassung der Vorinstanz abweicht (BGH NJW-RR 07, 17 [BGH 28.09.2006 - VII ZR 103/05]; ZfBR 09, 241) oder andere als die von den Parteien zitierten Anspruchsgrundlagen heranziehen will (BGH BauR 08, 1662) –, hinsichtlich der Zurückweisung von Vorbringen als verspätet (St/J/Kern Rz 68), hinsichtlich einer bestimmten Art der Schadensberechnung (Nürnbg MDR 85, 240), hinsichtlich der Auslegung eines Vertrages, die von den Parteien nicht in Erwägung gezogen wurde (BGH NJW 93, 667), hinsichtlich der von den Parteien übersehenen Anwendbarkeit ausländischen Rechts (BGH NJW 76, 474 [BGH 19.12.1975 - I ZR 99/74]).
Voraussetzung für eine Hinweispflicht ist, dass der Punkt für die Entscheidung der Hauptsache aus Sicht des Gerichts relevant ist. Die rechtliche Beurteilung des Prozessgerichts ist auch für das Berufungsgericht maßgeblich, wenn es überprüft, ob das Prozessgericht einen Hinweis nach Abs 2 hätte erteilen müssen. An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es bei Gesichtspunkten, die Hilfsbegründungen des Urteils betreffen. Das Verbot der Überraschungsentscheidungen besteht dem Wortlaut nach nicht für Nebenforderungen iSv § 4 I, also für die Entscheidung über Früchte, Nutzungen, Zinsen, Kosten. Diese Ausnahme ist aber einzuschränken für die Fälle, in denen die Nebenforderung einen nicht nur nebensächlichen Betrag darstellt, wenn also etwa die Zinsen die Hauptforderung übersteigen. Umgekehrt ist die Ausnahme im Wege der Analogie auf solche Gesichtspunkte zu erstrecken, die nur geringfügige Teile der Hauptforderung betreffen, die von den Parteien nicht weiter problematisiert wurden (str, wie hier die hM vgl St/J/Kern Rz 85 mwN; aA Musielak/Voit/Stadler Rz 20).