Rn 6
Für Fragen zur Klärung des Sach- und Streitstands und für Hinweise in Bezug auf eine Ergänzung oder Änderung des Parteivorbringens muss ein konkreter Anlass bestehen (München NJW-RR 12, 309 [BGH 27.10.2011 - III ZB 31/11]). Die Erörterungspflicht des Gerichts entsteht bei Unklarheiten, Widersprüchen, Lücken, fehlender Schlüssigkeit oder nicht ausreichender Substanziierung im Vortrag einer oder auch beider Parteien bzgl vom Gericht für wesentlich erachteter Punkte. Maßgeblich für eine etwaige Verletzung der Aufklärungspflicht ist der materiell-rechtliche Standpunkt des Gerichts ohne Rücksicht auf seine Richtigkeit (BGH NJW 09, 355 [BGH 14.10.2008 - VI ZR 36/08]). Richterliche Aufklärung ist auch erforderlich, wenn eine Partei ihr prozessuales Vorbringen mglw nicht aufrechterhalten will (BGH NJW 18, 1171 [BGH 14.11.2017 - VIII ZR 101/17]). Auf Fehler beim Angebot der Parteivernehmung einer Partei muss das Gericht ebenfalls hinweisen (KG NJW 18, 239 [KG Berlin 11.07.2017 - 21 U 100/16]). Grds sind Hinweise des Gerichts so früh wie möglich und möglichst vor der ersten mündlichen Verhandlung zu geben.
Eine Hinweispflicht nach Abs 1 besteht nicht hinsichtlich solcher Anforderungen an den Sachvortrag, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf rechnen musste (BGH NJW-RR 98, 16 [BGH 26.09.1997 - V ZR 65/96]; vgl auch BVerfG NJW 94, 1274 [BVerfG 17.01.1994 - 1 BvR 245/93]). Die Hinweispflicht des Gerichts entlastet also nicht die Partei und ihren Prozessbevollmächtigten, alle Tatsachenbehauptungen und alle Rechtsausführungen vorzubringen, die die Gerichtsentscheidung günstig beeinflussen können (BGH AnwBl 16, 267). Insbesondere besteht dann keine Hinweispflicht des Gerichts, wenn das Verhalten einer Partei den Schluss zulässt, dass sie nicht näher vortragen kann oder will (BGH NJW 03, 3626 [BGH 05.06.2003 - I ZR 234/00]). Ob sich im Anwaltsprozess ein Hinweis erübrigt, wenn bereits die Gegenseite auf Unklarheiten oder Lücken im Vortrag hingewiesen hat, ist str (bejahend Musielak/Voit/Stadler Rz 7; verneinend BGH v 21.1.16 BeckRS 16, 04424 Rz 8; BAG v 27.7.16 – 7 ABR 16/14; Zö/Greger Rz 3; Stöber NJW 05, 3601, 3603; Rensen MDR 08, 1075). Der Hinweis, dass das Gericht Adressat der Aufklärungspflicht ist (Schneider ZAP Beilage 5/01, 12), führt insoweit nicht weiter. Entscheidend ist, ob ein gerichtlicher Hinweis trotz der Bemängelung durch den Gegner noch erforderlich ist. Grds kann man eine Kritik des Gegners am Parteivorbringen und einen gerichtlichen Hinweis nicht gleichsetzen, da der Gegner durch den Hinweis in erster Linie seine eigene Sache fördern will. Daher ist es wenig wahrscheinlich, dass eine Partei Hinweise ihres Gegners aufgreift. Das Gericht sollte daher zu erkennen geben, dass es die Bedenken des Gegners teilt.