I. Hinweise in Bezug auf tatsächliches Vorbringen.
Rn 8
Trägt eine Partei lückenhaft (BGH NJW-RR 03, 742 [BGH 24.02.2003 - II ZR 322/00]; NJW-RR 03, 1718 [BGH 11.09.2003 - VII ZR 136/02]; MDR 08, 877 [BGH 03.04.2008 - I ZB 73/07]), unverständlich (BAG NJW 89, 1236 [BAG 23.11.1988 - 4 AZR 393/88]), mehrdeutig oder widersprüchlich (BGH NJW-RR 02, 1071 [BGH 25.02.2002 - II ZR 346/00]) vor, so hat das Gericht durch entsprechenden Hinweis auf eine Ergänzung des Vortrags hinzuwirken. Lückenhafter Vortrag kann sich auch daraus ergeben, dass eine Partei ihr Vorbringen auf einer vom Gericht nicht geteilten Rechtsansicht aufbaut (Köln NJW-RR 98, 1686), so dass es etwa an der Schlüssigkeit der Klage auf Basis der vom Gericht für einschlägig gehaltenen Anspruchsgrundlage fehlt. Sind die Bedenken des Gerichts gegen die Schlüssigkeit der Klageforderung nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt, muss es zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung diesen unmissverständlich hierauf hinweisen und ihm Gelegenheit zum weiteren Vortrag geben (BGH NJW-RR 04, 281 [BGH 05.11.2003 - VIII ZR 380/02]; NJW-RR 08, 1649 [BGH 12.03.2008 - IV ZR 330/06]). Das Gericht erfüllt seine Hinweispflicht nicht, indem es vor der mündlichen Verhandlung allgemeine oder pauschale Hinweise erteilt. Vielmehr muss es die Parteien auf den fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmissverständlich hinweisen und ihnen die Möglichkeit eröffnen, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen (BGH MDR 13, 1424; BGHZ 140, 365, 371; BGHZ 164, 166). Hat der Adressat des Hinweises diesen nicht richtig verstanden, muss das Gericht den Hinweis wiederholen und erläutern und der Partei erneut Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Das Gleiche gilt vor dem Hintergrund des Verbots der Überraschungsentscheidung (Abs 2) dann, wenn das Gericht von seiner in einer gerichtlichen Verfügung geäußerten Auffassung später abweichen will (BGH NJW 02, 3317 [BGH 25.06.2002 - X ZR 83/00]). Hat ein Gericht die Partei aber bereits eindeutig und unmissverständlich auf die einschlägige Rspr des BGH zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage hingewiesen, muss es den Hinweis nicht wiederholen, wenn die Partei ihren Sachvortrag nicht auf den rechtlichen Hinweis eingerichtet hat (BGH NJW 08, 2036 [BGH 16.04.2008 - XII ZB 192/06]). Möchte ein Gericht Tatsachen als offenkundig iSv § 291 behandeln, die es dem Internet entnommen hat, so bedarf dies eines Hinweises (BGH MDR 22, 450 und 685 [BGH 27.01.2022 - III ZR 195/20]). § 139 berechtigt nicht dazu, den Parteien Vorgaben über die Länge von Schriftsätzen zu machen (Frankf NJW-RR 08, 1080). Durch den neuen S 3 in Abs 1 (in Kraft seit 1.1.20) ergibt sich jedoch die Berechtigung für das Gericht, das Verfahren zu strukturieren und den Streitstoff abzuschichten (Rn 12a). Das bedeutet, dass das Gericht auch den Parteien aufgeben kann, strukturiert vorzutragen. Dazu kann das Gericht den Parteien ein Raster vorgeben (vgl zu elektronischen Formularen § 130c Rn 2). S 3 betrifft die inhaltliche Strukturierung und Abschichtung des Parteivorbringens (Gaier NJW 20, 177, 182). Die Regelung geht damit weit über eine rein äußerliche Strukturierung des Verfahrensablaufs hinaus. Dazu Adam ZIP 20, 701; Fölsch NJW 20, 801, 804; Gaier NJW 20, 177; Schultzky MDR 20, 1, 3; Vorwerk NJW 17, 2326.
II. Sachdienliche Anträge.
1. Beseitigung von Unklarheiten.
Rn 9
Das Gericht ist nach § 139 gehalten, eine Partei auf Unklarheiten in gestellten Sachanträgen hinzuweisen, schon um für eine eindeutige Abgrenzung des Streitgegenstands zu sorgen. Das Gericht hat darauf hinzuwirken, dass eine dem Klageantrag entsprechende Urteilsformel die Grundlage für die Zwangsvollstreckung bilden kann (BGHZ 162, 365, 368). So ist es geboten, den Kl auf die Erforderlichkeit einer Aufzählung der herauszugebenden Zubehörstücke (RGZ 13, 264, 267), Präzisierung einer Klage auf Störungsbeseitigung (BGH NJW 92, 1101), auf die Erforderlichkeit der Aufschlüsselung einer Teilklage nach verschiedenen Beträgen (BGH NJW 58, 1590) hinzuweisen. Die Unklarheit kann sich auch auf das Verhältnis mehrerer Anträge zueinander beziehen (BGHZ 69, 47, 52). Das Gericht ist nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute durchzuarbeiten, um die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren (BGH NJW 19, 1082; 16, 2747 [BGH 17.03.2016 - III ZR 200/15]; 08, 69 [BGH 02.07.2007 - II ZR 111/05]; NJW-RR 04, 639). Zulässig ist ein Verweis auf Anlagen nur dann, wenn im Schriftsatz ausdrücklich auf die Anlage Bezug genommen ist, wenn die in Bezug genommene Anlage konkret benannt ist, wenn die Anlage aus sich heraus verständlich ist und wenn dem Richter keine unzumutbare Sucharbeit abverlangt wird (BGH NJW 19, 1082 [BGH 02.10.2018 - VI ZR 213/17]; 16, 3092 [BGH 26.04.2016 - VI ZR 50/15]; NJW-RR 04, 639, 640 [BGH 17.07.2003 - I ZR 295/00]).
2. Klageänderung.
Rn 10
Problematisch ist, inwieweit das Gericht eine Klageänderung anregen darf. Vollkommen neue, über das bisher Beantragte hinausgehende Anträge darf das Gericht nicht anregen (Unzulässigkeit der Anregung, Vollstreckungsschutz zu bean...