1. Beseitigung von Unklarheiten.
Rn 9
Das Gericht ist nach § 139 gehalten, eine Partei auf Unklarheiten in gestellten Sachanträgen hinzuweisen, schon um für eine eindeutige Abgrenzung des Streitgegenstands zu sorgen. Das Gericht hat darauf hinzuwirken, dass eine dem Klageantrag entsprechende Urteilsformel die Grundlage für die Zwangsvollstreckung bilden kann (BGHZ 162, 365, 368). So ist es geboten, den Kl auf die Erforderlichkeit einer Aufzählung der herauszugebenden Zubehörstücke (RGZ 13, 264, 267), Präzisierung einer Klage auf Störungsbeseitigung (BGH NJW 92, 1101), auf die Erforderlichkeit der Aufschlüsselung einer Teilklage nach verschiedenen Beträgen (BGH NJW 58, 1590) hinzuweisen. Die Unklarheit kann sich auch auf das Verhältnis mehrerer Anträge zueinander beziehen (BGHZ 69, 47, 52). Das Gericht ist nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute durchzuarbeiten, um die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren (BGH NJW 19, 1082; 16, 2747 [BGH 17.03.2016 - III ZR 200/15]; 08, 69 [BGH 02.07.2007 - II ZR 111/05]; NJW-RR 04, 639). Zulässig ist ein Verweis auf Anlagen nur dann, wenn im Schriftsatz ausdrücklich auf die Anlage Bezug genommen ist, wenn die in Bezug genommene Anlage konkret benannt ist, wenn die Anlage aus sich heraus verständlich ist und wenn dem Richter keine unzumutbare Sucharbeit abverlangt wird (BGH NJW 19, 1082 [BGH 02.10.2018 - VI ZR 213/17]; 16, 3092 [BGH 26.04.2016 - VI ZR 50/15]; NJW-RR 04, 639, 640 [BGH 17.07.2003 - I ZR 295/00]).
2. Klageänderung.
Rn 10
Problematisch ist, inwieweit das Gericht eine Klageänderung anregen darf. Vollkommen neue, über das bisher Beantragte hinausgehende Anträge darf das Gericht nicht anregen (Unzulässigkeit der Anregung, Vollstreckungsschutz zu beantragen, BGH MDR 78, 37; Möglichkeit der Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags, BGH VersR 75, 981, 982). Es hat sich bei seinen Anregungen an dem von den Parteien bisher vorgetragenen Lebenssachverhalt und dem sich aus den gestellten Anträgen erkennbaren Begehren zu orientieren und darf nicht gänzlich neue Aspekte oder Begehren aufwerfen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch Fragen oder Hinweise neue Anspruchsgrundlagen, Einreden oder Anträge einzuführen, die in dem streitigen Vortrag der Parteien nicht zumindest andeutungsweise bereits eine Grundlage haben. Das Ausbleiben von Hinweisen, für die danach kein Raum besteht, macht eine Entscheidung auch nicht überraschend iSd § 139 II (BGHZ 156, 269). Das Gericht darf daher nur solche Klageänderungen anregen, die nicht auf ein neues Prozessziel gerichtet sind.
Unzulässig sind danach bspw die Aufforderung, die Klage in der Hauptsache oder hinsichtlich von Nebenforderungen zu erweitern (anders wenn das Gericht selbst die Beschränkung des Antrags angeregt hatte, Köln MDR 75, 148 [OLG Köln 07.08.1974 - 6 U 137/73]), die Aufforderung, die Vollstreckungsgegenklage auf eine negative Feststellungsklage umzustellen (Musielak/Voit/Stadler Rz 13), der Hinweis auf die Möglichkeit der ›Flucht in die Säumnis‹ (München NJW 94, 60).
Zulässig ist dagegen der Hinweis auf die Möglichkeit der Erledigungsklärung in Folge veränderter Umstände, der Hinweis auf das Nichterreichen der 7/10 Grenze in der Immobiliarzwangsvollstreckung und die Möglichkeit eines Antrags nach § 74a I ZVG (BVerfG NJW 93, 1699), das Anraten der Umstellung des Antrags auf Duldung der Zwangsvollstreckung statt Zahlung (BGH LM § 2325 BGB Nr 2), die Korrektur eines unzutreffenden Teilungsplans (Jena FamRZ 09, 458). Grds wird man einen Hinweis auf die Möglichkeit der Klageänderung immer dann für zulässig halten können, wenn das vom Kl verfolgte Begehren mit dem von ihm formulierten Antrag nicht erreicht werden kann. In diesen Fällen ist eine Umstellung des Antrags der Sache (des Klägers) dienlich (vgl MüKoZPO/Wagner Rz 28).