Gesetzestext
(1) 1Das Gericht kann die Einnahme des Augenscheins sowie die Hinzuziehung von Sachverständigen anordnen. 2Es kann zu diesem Zweck einer Partei oder einem Dritten die Vorlegung eines in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Gegenstandes aufgeben und hierfür eine Frist setzen. 3Es kann auch die Duldung der Maßnahme nach Satz 1 aufgeben, sofern nicht eine Wohnung betroffen ist.
(2) 1Dritte sind zur Vorlegung oder Duldung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. 2Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.
(3) Die Vorschriften, die eine auf Antrag angeordnete Einnahme des Augenscheins oder Begutachtung durch Sachverständige zum Gegenstand haben, sind entsprechend anzuwenden.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Norm ergänzt die §§ 142, 143 und stellt Gegenstände, die einem Augenschein dienen können oder die zur Begutachtung durch Sachverständige erforderlich sind, den Urkunden und den sonstigen Unterlagen gem § 142 gleich. Die Norm dient damit generell zur Aufklärung des streitigen Sachverhalts sowie zur Verdeutlichung und Klärung eines unstreitigen, aber lückenhaften und unklaren Sachverhalts. Die Norm ist ähnl wie § 142 durch das ZPO-RG seit 1.1.02 erweitert worden. Die Mitwirkungspflicht Dritter ist wie in § 142 eingefügt und geregelt worden. Die Trennung zwischen Vorlegung und Duldung in Abs 1 will der Tatsache gerecht werden, dass sowohl bewegliche als auch unbewegliche Augenscheinsobjekte in Betracht kommen können.
Allerdings geht § 144 insoweit über die §§ 139–143 hinaus, als er nicht nur die Prozessleitung betrifft, sondern in Abs 1 S 1 auch eine Regelung zur Beweisaufnahme enthält (zur Abgrenzung vgl § 141 Rn 2, § 142 Rn 10). Das Gericht kann nämlich vAw den Augenscheinsbeweis und die Hinzuziehung von Sachverständigen anordnen. In diesen Möglichkeiten ist eine Einschränkung des Beibringungsgrundsatzes zu sehen. Somit können im Falle von § 144 auch beweismäßig verwertbare Erkenntnisse gewonnen werden (Zö/Greger § 144 Rz 1), ferner können Augenscheinsobjekte gewonnen werden, ohne dass diese von einer Partei erwähnt wurden. Daher ist es konsequent, dass Abs 3 die §§ 371 ff und 402 ff für anwendbar erklärt.
B. Gegenstand der Anordnung.
I. Augenscheinsbeweis.
Rn 2
Das Gericht kann vAw nach seinem Ermessen die Anordnung treffen, dass die Einnahme eines Augenscheins in der beweisrechtlichen Form des § 371 erfolgt. Zwar wird das Gericht vorab gem § 139 abklären, ob der an sich Beweisbelastete die Initiative ergreifen wird. Das Recht des Gerichts, diesen Beweis vAw anzuordnen, kann aber eine Parteivereinbarung nicht ausschließen.
II. Sachverständigenbeweis.
Rn 3
Ebenso wie den Augenschein kann das Gericht auch einen Sachverständigenbeweis nach seinem Ermessen vAw anordnen. Auch hier wird das Gericht vorher mit den Parteien über deren mögliches Verhalten sprechen (§ 139). Die Möglichkeit des Gerichts, vAw die Initiative zu ergreifen, soll nicht dem Zweck dienen, die Problematik nicht eingezahlter Auslagenvorschüsse zu umgehen (Ddorf MDR 74, 321). Ausgeschlossen ist eine gerichtliche Initiative auch dort, wo der Beweisantrag einer Partei wegen Verspätung oder als Ausforschungsbeweis zurückzuweisen wäre. Hält freilich das Gericht im Interesse der Aufklärung des Rechtsstreits und auch im Interesse der Gegenpartei ein Gutachten für unentbehrlich, so wird es nach § 144 vorgehen (BGH MDR 76, 396). Mit der neuen Formulierung, das Gericht könne die Hinzuziehung eines Sachverständigen anordnen, entsteht die Möglichkeit, einen Sachverständigen zum Berater des Gerichts zu machen, ohne dass er im technischen Sinn ein Beweismittel wäre (aA Schultzky MDR 20, 1, 4).
III. Vorlegung beweglicher Gegenstände.
Rn 4
Neben der Anordnung des Augenscheinsbeweises oder des Sachverständigenbeweises kann die Vorlegung von Gegenständen derjenigen Partei aufgegeben werden, in deren Besitz sie sich befinden. Eine solche Anordnung kommt für bewegliche Sachen in Betracht, die für das Gericht oder für den Sachverständigen einer Augenscheinseinnahme bzw einer Begutachtung unterliegen. Anders als die Beweisanordnung ist die Anordnung der Vorlegung also der Regelung des § 142 gleichzustellen, weshalb das Gesetz auch Dritte mit einbezieht. Zum Sonderfall der Wohnung s.u. Rn 5. Zur Beweisführung mithilfe elektronischer Dokumente vgl Rupp, Die Beweisführung mit privaten elektronischen Dokumenten 18.
IV. Duldung.
Rn 5
Duldung meint im konkreten Fall, dass der Besitzer der Sache eine Begutachtung bzw einen Augenschein duldet. In Betracht kommen hier insb unbewegliche Sachen oder Sachen von einer Größe und einem Gewicht, die eine normale Vorlegung unzweckmäßig erscheinen lassen. Die gesetzliche Ausnahme im Falle der Wohnung ist Art 13 GG geschuldet (BGH NJW 13, 2687). Daher werden vom Schutz der Norm nicht nur Wohnungen im umgangssprachlichen Sinn erfasst, sondern auch nicht allgemein zugängliche Nebengebäude und Garagen, also die gesamte räumliche Sphäre einer Person (BGH NJW 13, 2687; NJW-RR 09, 1393 [BGH 17.07.2009 - V ZR 95/08]; Basler/Meßerschmidt NJW 14, 3329).
C. Voraussetzungen.
Rn 6
Das Gericht hat nach seinem Ermessen das Bedürfnis für die i...