a) Zulässigkeit.
Rn 14
Das materielle Recht kann der Aufrechnung entgegenstehen (vgl nur §§ 390, 392–394 BGB). Ebenso wird die Aufrechnung durch materiellrechtliche Aufrechnungsverbote eingeschränkt. Auch prozessrechtliche Absprachen können zur Unzulässigkeit des Aufrechnungseinwands führen. In all diesen Fällen muss das Gericht vor Eintritt in die Sachprüfung über die zur Aufrechnung gestellte Forderung zunächst die Zulässigkeit der Aufrechnung bestätigen und darf insb nicht vorab im Wege einer Alternativbegründung in der Sache über die Aufrechnungsforderung entscheiden (BGH NJW 61, 1862). Behandelt das Gericht die Aufrechnung als unzulässig, so ist die Entscheidung auch dann nicht gem § 322 II der Rechtskraft fähig, wenn die Aufrechnung zu Unrecht als unzulässig angesehen wird (BGH NJW 01, 3616).
b) Aufrechnungserklärung.
Rn 15
Da die Prozessaufrechnung zugleich Prozesshandlung ist, muss der Aufrechnende Prozesspartei sein. Auch der Kl kann die Prozessaufrechnung erklären, wenn er sich in der prozessualen Situation in einer Schuldnerstellung befindet (zB als Kl nach § 767 oder als Widerbeklagter). Jedoch kann der Kl gegen eine hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung des Beklagten nicht seinerseits mit eigenen Forderungen aufrechnen, weil der Beklagte mit seiner Eventualaufrechnung die Reihenfolge des Prozessprogramms festgelegt hat: Hat die Hilfsaufrechnung Erfolg, so geht die Aufrechnung des Klägers ins Leere (eingehend: St/J/Althammer Rz 29; KG MDR 06, 1252 [KG Berlin 16.02.2006 - 8 U 131/05]). Die Aufrechnungserklärung muss im Anwaltsprozess vom dafür postulationsfähigen Rechtsanwalt geltend gemacht werden, dessen Prozessvollmacht nach § 81 die Aufrechnung umfasst. Die Aufrechnungserklärung als Prozesshandlung kann konkludent erklärt werden (BGH MDR 94, 1144; aA Zö/Greger Rz 11b, der mit Blick auf den Rechtscharakter der Aufrechnung als Prozesshandlung eine ausdrückliche Erklärung verlangt). Der Streithelfer kann nicht Forderungen der Hauptpartei, wohl aber bei bestehender Gesamtschuld mit eigenen Forderungen die Prozessaufrechnung erklären (Zö/Althammer § 67 Rz 11). Die Prozessaufrechnung unterliegt im Berufungsrechtszug der besonderen Präklusion des § 533: Die Aufrechnungserklärung ist nur unter den in § 533 Nr 1 und 2 genannten Voraussetzungen zulässig. Wurde die Prozessaufrechnung demgegenüber bereits im ersten Rechtszug erklärt, so ist die Zulässigkeit eines zur Substantiierung der Aufrechnungsforderung im zweiten Rechtszug neuen Tatsachenvortrags an den Voraussetzungen der §§ 529–531 zu messen (vgl § 533 Rn 18).
c) ›Rücknahme‹ der Aufrechnung.
Rn 16
Die materiellrechtlichen Gestaltungswirkungen einer erklärten Aufrechnung (§ 389 BGB) können nicht rückwirkend entfallen. Da die Prozessaufrechnung allerdings zugleich Prozesshandlung und Verteidigungsvorbringen ist, kann der Aufrechnende die Aufrechnungseinrede mit prozessualer Wirkung wieder fallenlassen (BGHZ 57, 242, 244 f; Zö/Greger Rz 11c; nach OLGR Schlesw 09, 447 kann die Rücknahme der Prozessaufrechnung sogar an die innerprozessuale Bedingung eines Vergleichswiderrufs geknüpft werden). Nunmehr ist das Gericht gehindert, über den Aufrechnungseinwand zu entscheiden. Nach vorzugswürdiger Auffassung sind die sachlich-rechtlichen Wirkungen der Prozessaufrechnung davon abhängig, dass das Gericht den Aufrechnungseinwand im Prozess berücksichtigen darf und ihn nicht als unzulässig zurückweist. Andernfalls steht es dem Beklagten frei, die unverbrauchte Gegenforderung in einem Folgeprozess einzufordern (BGH NJW-RR 91, 156 [BGH 11.10.1990 - I ZR 32/89]; Zweibr NJW-RR 04, 651 [OLG Zweibrücken 14.11.2003 - 2 UF 95/03]; St/J/Althammer Rz 60; aA Zö/Greger Rz 11c; Überblick über den Meinungsstand: Leichsenring, NJW 13, 2155, 2159 f).
d) Hilfsaufrechnung.
Rn 17
Die Aufrechnung kann hilfsweise, für den Fall erklärt werden, dass das Gericht die bestrittene Klageforderung für begründet erachtet. An den Erklärungstatbestand der Hilfsaufrechnung sind keine strengen Anforderungen zu stellen: Sie liegt immer dann vor, wenn der Aufrechnende die Berechtigung der Klageforderung unabhängig vom Aufrechnungseinwand in Zweifel zieht. Die Zulässigkeit der Eventualaufrechnung steht außer Streit. Das Gericht muss auch bei der Hilfsaufrechnung zunächst über die Klageforderung befinden und darf die Klage nicht bereits deshalb als unbegründet abweisen, weil jedenfalls der Aufrechnungseinwand durchgreift. Denn dann bliebe offen, ob die Forderung des Beklagten gem § 322 II rechtskräftig abgewiesen wurde. Auch eine gestaffelte Hilfsaufrechnung mit mehreren Gegenforderungen ist möglich: Hier ist eine eindeutige Bestimmung der Reihenfolge anzuraten. Mangels ausdrücklicher Festlegung gelten die §§ 396 I 2, 366 II BGB (BGHZ 149, 124). Allerdings ist es nicht zulässig, mehrere nicht selbstständige Teilbeträge derselben Forderung in einem Eventualverhältnis zueinander aufzurechnen (BGH NJW-RR 95, 508 [BGH 01.02.1995 - XII ZR 218/94]). Die Präklusion des Aufrechnungseinwands führt bei der Hilfsaufrechnung nicht zur rechtskräftigen Aberkennung der Forderung, da die Rechtswirkung d...