Rn 4
Die Entscheidung über die Prozesstrennung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Hierbei hat das Gericht abzuwägen, ob die Abtrennung als prozessleitende Maßnahme der Förderung des Prozesses, insb seiner zeitangemessenen Erledigung, dienlich ist. Sie soll zur besseren Ordnung des Prozessstoffes führen und einer Prozessverschleppung entgegenwirken, die aus einem Streit über einzelne Ansprüche entstehen kann. Eine Abtrennung kommt immer dann in Betracht, wenn ein abgrenzbarer Teil des Prozesses rascher entschieden werden kann oder – wie im Fall des § 44 I EGZPO (hierzu: Klein MDR 21, 393, 395) – eine beschleunigte Erledigung spezifischer Streitgegenstände gesetzlich geboten ist. Bei sog improvisierten Massenklagen, mit denen Inkassodienstleister nach entsprechender Forderungsabtretung mitunter Abertausende Ansprüche in einem Verfahren bündeln (Lerch/Valdini NJW 23, 420), wird das Gericht abwägen, ob das Instrument der Prozesstrennung geeignet ist, effektiven Rechtsschutz, der eine Einzelfallprüfung aller individuellen Ansprüche erfordert, zu gewähren (André/Weißenberger ZIP 23, 1402).
1. Gebundenes Ermessen.
Rn 5
Das Ermessen ist gebunden, wenn die einzelnen Ansprüche unterschiedliche Prozessarten betreffen (zB Urkundenprozess und ordentliches Verfahren). Auch nach unzulässiger Anspruchsverbindung (§ 260; § 126 II FamFG) ist eine Trennung zwingend. Ist der beschrittene Rechtsweg für einen der prozessualen Ansprüche nicht eröffnet, muss eine Prozesstrennung mit anschließender Teilverweisung gem § 17a II S 1 GVG erfolgen (BGH NJW-RR 23, 634 [BGH 09.01.2023 - VI ZB 80/20]). Eine Trennung scheidet aus, wenn die Ansprüche in einem Eventualverhältnis stehen. Denn dann würde der hilfsweise geltend gemachte Anspruch im selbstständigen Verfahren als Hauptantrag behandelt (bei Aufrechterhaltung des Eventualverhältnisses müsste die abgetrennte Klage als unzulässig abgewiesen werden; BGH MDR 15, 909). Im Fall der notwendigen Streitgenossenschaft nach § 62 darf das Gericht die einzelnen Prozessrechtsverhältnisse nicht trennen. Generell gilt: Eine Abtrennung ist ermessensfehlerhaft, wenn ein sachlicher Grund nicht ersichtlich ist, für die Parteien mit der Abtrennung lediglich Kostennachteile verbunden sind und die Prozesstrennung zum Verlust der Rechtsmittelfähigkeit führt. Demgegenüber steht die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen der Abtrennung nicht entgegen: Die beim Erlass eines Teilurteils anerkannten Einschränkungen sind nicht zu beachten (BGH NJW 03, 2386 [BGH 03.04.2003 - IX ZR 113/02]).
2. Verfahren.
Rn 6
Das Gericht (bei Kollegialgerichten also nicht der Vorsitzende allein) kann seine Entscheidung in der Form eines zu begründenden Beschlusses (I S 2) ohne Antrag der Parteien und ohne mündliche Verhandlung (§ 128 IV) treffen. Da durch die Trennung Kostennachteile und Verfahrensverzögerungen entstehen können, ist den Parteien zuvor rechtliches Gehör zu gewähren. Nach der Prozesstrennung sind im Regelfall durch Kopien neue Akten anzulegen. Das Gericht darf die weitere Tätigkeit nicht von der Einzahlung der nach dem Wert der Einzelstreitwerte zu berechnenden Gebühren abhängig machen. Die bereits eingezahlten Gebühren sind anteilig zu verrechnen (Hambg Beschl v 24.9.13 – 2 W 84/13). Die getrennten Verfahren können nachträglich wieder zusammengeführt werden (§ 150). Das Gericht kann unter Berücksichtigung von § 156 einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen neuen Sachantrag ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung abtrennen, da es der Kl ansonsten in der Hand hätte, die Entscheidungsreife der bereits verhandelten Ansprüche hinauszuzögern (Saarbr OLGR 08, 2). Trennt das Gericht ohne vorherige Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ab, so tritt die Rechtshängigkeit erst mit der förmlichen Zustellung des unter dem neuen Aktenzeichen geführten Klageantrags ein (vgl Zö/Greger § 296a Rz 2a). Erfolgt die Trennung im Termin zur mündlichen Verhandlung, so kann noch im selben Termin über die nunmehr selbstständigen Verfahren verhandelt werden.