I. Vergleich (Nr 1).
1. Formwirksames Zustandekommen.
Rn 10
Ein gerichtlicher Vergleich kann formwirksam auf verschiedene Weise abgeschlossen werden: Im Regelfall wird der Vergleichstext unmittelbar im Protokoll aufgenommen. In diesem Fall muss der Vergleichstext vorgelesen oder – sofern ein tontechnisches Verfahren angewandt wird – abgespielt und genehmigt werden (§ 162 I). Das laute Diktieren ersetzt das Abspielen nicht (Zweibr OLGR 04, 292; Oldenbg FamRZ 17, 1333). Zum andern kann der Vergleich auf einer eigenen Urkunde festgehalten werden, die dem Protokoll als Anlage beigefügt wird. Hier muss das Protokoll selber die Anlage bezeichnen (Abs 5). Dies geschieht bspw durch die Formulierung: ›Die Parteien schließen den mit der Datumsangabe vom … versehenen Vergleich, der diesem Protokoll als Anlage beigefügt ist. ‹ Eine Ergänzung eines im Gerichtsprotokoll aufgenommenen Vergleichs kommt in Betracht, wenn die Parteien auf ein Inventarverzeichnis oder auf technische Ausführungen Bezug nehmen. Zur Formwahrung müssen auch hier das Protokoll (sofern die Anlage den Vergleichstext nur ergänzt) und die Anlage verlesen werden oder – dies bietet sich bei umfangreichen Anlagen an – den Parteien zur Durchsicht vorgelegt werden (§ 162 I 1). Im Protokoll ist die Verlesung bzw das Vorlegen der Anlage sowie deren Genehmigung durch die Parteien festzuhalten.
2. Funktion der Formenstrenge.
Rn 11
Nur ein nach §§ 159 ff formgerecht protokollierter Vergleich hat verfahrensbeendende Wirkung und kann Vollstreckungstitel nach § 794 sein (BGHZ 10, 388, 390; Zweibr NJW-RR 92, 1408; BGH NJW 84, 1465, 1466). Aufgrund der Doppelnatur des Vergleichs kann ein wegen formeller Mängel in prozessualer Hinsicht unwirksamer Prozessvergleich materiellrechtlich Bestand haben (BGH NJW 85, 1962 [BGH 24.10.1984 - IVb ZR 35/83]). Insbesondere kann – sofern der Vergleich nach § 162 II 1 und 2 vorgelesen und genehmigt wurde – ein ohne den Protokollvermerk nach § 162 I 3 abgeschlossener Vergleich materiellrechtlich gem § 127a BGB die notarielle Beurkundung ersetzen. Hierbei ist der Beweis über die Einhaltung der Förmlichkeiten des § 162 II 1 und 2 ohne Beschränkung nach § 165 zu führen (BGHZ 142, 84, 88). Ein Verzicht auf die Einhaltung der Formvorschriften ist nicht wirksam (keine Heilung nach § 295). Allerdings kann es den Parteien im Einzelfall nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf die Formunwirksamkeit des Vergleichs zu berufen, insb wenn der Vergleich von beiden Seiten lange Zeit als wirksam angesehen und vollzogen wurde (BAG NJW 70, 349; vgl auch Brandbg NZG 21, 986 f, das den Rechtsmissbrauch aus widersprüchlichem Verhalten herleitet, wenn die sich auf die Formunwirksamkeit berufende Partei die im Vergleich begründeten Rechte zunächst für sich in Anspruch genommen hat). Zum gerichtlichen Vergleich im familiengerichtlichen Verfahren s Jokisch/Brandt FuR 20, 509, 565.
3. Berichtigung und Ergänzung.
Rn 12
Ein unvollständiger Vergleich (etwa wegen fehlender Kostenregelung) kann nicht im Wege der Protokollberichtigung ergänzt werden (Nürnbg MDR 03, 652). Vielmehr ist die Regelung des § 98 zu beachten: Fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien den Vergleich bewusst auf die Hauptsache beschränken wollten (in diesem Fall hat das Gericht in analoger Anwendung des § 91a über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden; vgl Zö/Herget § 98 Rz 3), so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben. Allerdings können die Parteien ohne Mitwirkung des Gerichts die im Vergleich vereinbarte Widerrufsfrist bis zu deren Ablauf einvernehmlich verlängern. Ein im Vergleich nicht enthaltenes Widerrufsrecht kann vor Eintritt der prozessbeendenden Wirkung nur unter Einhaltung der für den Prozessvergleich geltenden Förmlichkeiten vereinbart werden (BGH MDR 18, 817 [BGH 19.04.2018 - IX ZR 222/17], zum Widerrufsvorbehalt s § 794 Rn 15 ff).
II. Anträge (Nr 2).
Rn 13
Der Wortlaut differenziert nicht danach, ob die Anträge sich auf die Sache selbst (sog Sachanträge, die Inhalt, Gegenstand oder Wirkung der erstrebten Entscheidung betreffen) oder nur auf das weitere Verfahren (sog Prozessanträge, insb Klageabweisungs-, Beweis-, Vertagungs- und Kostenantrag) beziehen. Es spricht daher viel dafür, dass auch Prozessanträge entgegen der hM (Zö/Schultzky Rz 6; Anders/Gehle/Bünnigmann ZPO Rz 9; Köln NJW-RR 99, 288 [OLG Köln 22.06.1998 - 14 WF 49/98]) nach Abs 3 zwingend protokolliert werden müssen (MüKoZPO/Fritsche Rz 5; Musielak/Voit/Stadler Rz 6). Die Streitfrage besitzt geringe praktische Relevanz, da ein Prozessantrag mit der Wirkung des § 165 regelmäßig als wesentlicher Vorgang nach Abs 2 Aufnahme in das Protokoll finden wird (St/J/Roth Rz 16). Werden die Anträge nicht durch Bezugnahme auf schriftsätzlichen Vortrag, sondern mündlich zu Protokoll erklärt (§ 297 I 3), sind die weiteren Formalien des § 162 I zu beachten.
III. Erklärungen, deren Feststellung vorgeschrieben ist (Nr 3).
Rn 14
Hierunter fallen die Zeugnisverweigerung vor einem beauftragten oder ersuchten Richter nach § 389 I, die Zustimmung zur Scheidung und zur Rücknahme des Scheidungsantrags (§ 134 FamFG). Im amtsgerichtlichen Verfahren korreliert die Vorschrift mit § 510a, der es dem Gericht ermöglicht, alle Erkl...