I. Unverzügliche Herstellung.
Rn 4
Das Protokoll ist im Fall der vorläufigen Aufzeichnung unverzüglich, mithin iSd § 121 I 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern, nach der Sitzung herzustellen und den Parteien in Abschrift formlos mitzuteilen. Es ist ein Gebot des fairen Verfahrens, die Parteien über den Inhalt des Protokolls in Kenntnis zu setzen, um evtl Missverständnisse oder Unrichtigkeiten rechtzeitig – idealerweise noch innerhalb einer Spruchfrist – auszuräumen. Die verspätete Herstellung berührt die Beweiskraft nicht (BGH NJW 85, 1782 [BGH 16.10.1984 - VI ZR 205/83]; 94, 3358; 99, 794 [BGH 23.10.1998 - LwZR 3/98]), kann jedoch – sofern sie auf einem richterlichen Versäumnis beruht – nach Maßgabe des § 26 II DRiG beanstandet werden. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 839 BGB kann im Einzelfall ein Amtshaftungsanspruch gegeben sein (Wieczorek/Schütze/Smid Rz 12). Viel häufiger dürfte die Ursache einer verspäteten Herstellung jedoch nicht im richterlichen Bereich, sondern in der unzureichenden Organisation der Geschäftsstellen- und Kanzleiarbeit liegen. Mithin impliziert Abs 2 S 1 das an die Adresse der Organisationsverantwortlichen gerichtete Gebot, die sachlichen und personellen Voraussetzungen für einen zügigen Bürobetrieb zu schaffen.
II. Unbrauchbare Aufzeichnungen.
Rn 5
Können die vorläufigen Aufzeichnungen – etwa wegen eines technischen Fehlers – nachträglich nicht mehr übertragen werden, so ist die Verhandlung nicht zwingend zu wiederholen. Es begegnet im Grundsatz keinen Bedenken, die nach § 160 zu protokollierenden Vorgänge aus dem Gedächtnis niederzuschreiben (aA Zö/Schultzky Rz 6, BAG NZA 22, 724 [BAG 08.03.2022 - 3 AZR 361/21]). Freilich muss im Protokoll deutlich werden, inwieweit die vorläufigen Aufzeichnungen nicht ausgewertet werden konnten (eingeschränkter Vermerk nach § 163 I 2). Auch fehlt dem Protokoll – soweit es auf dem Gedächtnis beruht – die Beweiskraft nach § 165 (MüKoZPO/Fritsche § 165a Rz 39). Hinsichtlich der Protokollierung einer Beweisaufnahme (§ 160 III Nr 4 und 5) gelten Besonderheiten (§ 160 Rn 18 f). Mängel der Sitzungsniederschrift zwingen nicht zur Aufhebung eines auf die unzureichend protokollierte Verhandlung ergangenen Urteils. Vielmehr muss der Rechtsmittelführer darlegen, dass und inwieweit die angefochtene Entscheidung auf dem Rechtsfehler beruht (BGH, Urt v 10.8.01 – RiZ [R] 5/00, entsprechende Passage nicht abgedruckt in NJW 02, 359 [BGH 10.08.2001 - Ri Z(R) 5/00]). Kann jedoch der für die Beweiswürdigung relevante Tatsachenstoff nachträglich nicht mehr ermittelt werden, sind Ausführungen zur Erheblichkeit des Verfahrensfehlers entbehrlich.