Gesetzestext
1Die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. 2Gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
A. Gegenstand und Umfang der Beweiskraft.
I. Funktion.
Rn 1
Die gesetzliche Beweisregel erfasst das Sitzungsprotokoll unter Einbeziehung einer eventuellen Berichtigung und entfaltet Beweiskraft für alle Förmlichkeiten der Verhandlung (worunter auch die Güteverhandlung zählt). Daneben erfüllt das ordnungsgemäß errichtete Protokoll die Voraussetzungen einer öffentlichen Urkunde, weshalb die Beweiskraft des § 165 von den Beweiswirkungen der §§ 415, 418 flankiert wird (St/J/Roth Rz 2). Hinsichtlich aller notwendigen Feststellungen entfaltet § 165 auch eine negative Beweiskraft; fehlen hierzu Protokollangaben, steht mit der Beweiswirkung des § 165 fest, dass die zu protokollierenden Vorgänge nicht stattgefunden haben. Demgegenüber erlaubt die fehlende fakultative Protokollierung keine mit Beweiswirkung versehenen Rückschlüsse. Die Beweiswirkung ist auf das konkrete Prozessrechtsverhältnis beschränkt und in einem etwaigen Folgeprozess nicht zu beachten. Auch im Kostenfestsetzungsverfahren sind die für die Verwirklichung der Gebührentatbestände maßgeblichen Umstände ohne Bindung an S 1 zu ermitteln (Musielak/Voit/Stadler Rz 1; Ddorf MDR 89, 751). Bei Widersprüchen zwischen Protokoll und Urteilstatbestand genießt der Beweiswert des Protokolls den Vorrang (§ 314 S 2).
II. Förmlichkeiten der Verhandlung.
Rn 2
Der äußere Hergang der Verhandlung (§ 160 I) sowie alle Feststellungen nach § 160 II, soweit diese den äußeren Ablauf der Verhandlung betreffen, werden von der Beweisregel erfasst. Hierzu zählen insb die Verhandlung nach der Beweisaufnahme nach §§ 279, 285 und das Stellen von Prozessanträgen (St/J/Roth Rz 10) sowie Erledigungserklärungen. Auch Abgabe und Inhalt der Antragstellung nach § 160 III Nr 2, nicht aber die einseitigen Prozesshandlungen (§ 160 III Nr 1, 3, 8 und 9) sind nach S 1 bewiesen (str BGH NJW-RR 07, 1451 [BGH 04.07.2007 - XII ZB 14/07]: Die Erklärung des Rechtsmittelverzichts gehört nicht zu den für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten; aA St/J/Roth Rz 11: Ob die Erklärungen abgegeben wurden, betrifft die Förmlichkeit der Verhandlung; allerdings erstreckt sich die Beweisregel weder auf die Wirksamkeit der Prozesshandlungen noch auf deren Auslegung). Hinsichtlich der Feststellungen nach § 160 III Nr 4 und 5 nimmt nur die Tatsache der entsprechenden Beweiserhebung – über § 160 I Nr 4 auch die namentliche Bezeichnung der vernommenen Personen –, nicht jedoch der Inhalt der protokollierten Aussagen oder das Ergebnis eines erhobenen Augenscheins an der Beweiskraft teil. Auch die Identität des Namensinhabers steht nicht mit der Beweiskraft des § 165 fest (St/J/Roth Rz 11; ThoPu/Reichold Rz 2). Hier setzt jedoch die flankierende Beweisregel der §§ 415, 418 an: Die öffentliche Urkunde erbringt – freilich mit der Möglichkeit des Gegenbeweises (§ 415 II, § 418 II) – den Beweis dafür, dass die protokollierten Aussagen vollständig und richtig protokolliert wurden.
B. Fehlen der Beweiswirkung.
Rn 3
Formale Mängel der Protokollierung (§§ 162, 163, 130b) hindern die Beweiswirkung. Bei offensichtlicher Lückenhaftigkeit greift die Beweiskraft – soweit die Lücke reicht – nicht durch (BGHZ 26, 340, 343; Zö/Schultzky Rz 6). Auch bei widersprüchlichem Protokollinhalt ist der Beweis ohne Einschränkung mit allen zulässigen Beweismitteln nach § 286 zu führen. Das Verkündungsprotokoll besitzt keine Beweiskraft, wenn es nicht innerhalb der Fünfmonatsfrist des § 517 erstellt wurde (weitergehend s § 160 Rn 21). Der Fälschungseinwand (S 2) setzt den Nachweis einer vorsätzlichen Fälschung voraus und kann mit allen Beweismitteln geführt werden. An die Darlegungslast bei behaupteter Protokollfälschung sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Sie ist bereits erfüllt, wenn Indizien für den objektiven Tatbestand und Schlussfolgerungen für die subjektiven Anforderungen vorgetragen werden (BGH FamRZ 10, 1326; MDR 08, 706). Bloße Zweifel an der Echtheit des Protokolls genügen zum Entkräften der Beweiskraft nicht. Der Ausgang eines evtl Strafverfahrens ist hierzu nicht abzuwarten.