I. Prozessbevollmächtigter.
Rn 2
ProzBev ist, wem die Partei für den anhängigen Rechtsstreit eine Prozessvollmacht (§§ 80 ff) erteilt hat. Eine Vollmacht nur für einzelne Prozesshandlungen genügt nicht (BGH NJW 74, 240, 241 [BGH 29.10.1973 - NotZ 4/73]). ProzBev kann auch ein AN (insb Justitiar) sein. Nicht ProzBev sind: Verkehrsanwalt (BGH NJW 92, 699 [OLG Koblenz 16.10.1991 - 11 UF 985/91]), Untervertreter oder Terminsbevollmächtigter (BGH NJW-RR 07, 356 [BGH 28.11.2006 - VIII ZB 52/06]). Sind mehrere ProzBev bestellt, genügt Zustellung an einen (BGH NJW 92, 3096, 3099). Bei einer Rechtsanwaltsgesellschaft kann an diese oder eines ihrer Mitglieder zugestellt werden (Brandbg 24.1.24 – 9 UF 176/23). Wird an mehrere zugestellt, treten die Zustellungswirkungen daher mit der ersten Zustellung ein (BGH NJW 91, 1176, 1177; BGH FamRZ 04, 865; BVerwG NJW 98, 3582). Für die Wirksamkeit der Zustellung kommt es nicht auf die Wirksamkeit der Vollmachterteilung an; entscheidend ist allein die Bestellung. Hat sich ein Anwalt vollmachtlos bestellt, muss gleichwohl an ihn gem § 172 zugestellt werden, bis er wegen fehlender Vollmacht zurückgewiesen ist (BGH NJW 87, 440 [BGH 22.10.1986 - VIII ZB 40/86]; NJW-RR 11, 417 [BGH 07.12.2010 - VI ZR 48/10] Rz 10). Gibt der Kläger im Rubrum der Klageschrift einen Rechtsanwalt als ProzBev des Beklagten an, so ist dieser als für den Rechtszug bestellter ProzBev gem § 172 I 1 anzusehen und hat die Zustellung an ihn zu erfolgen. Das Risiko, dass der vom Kläger als ProzBev des Beklagten bezeichnete Anwalt keine Prozessvollmacht besitzt und die an diesen bewirkte Zustellung deshalb unwirksam ist, trägt der Kläger (BGH NJW-RR 11, 997 [BGH 06.04.2011 - VIII ZR 22/10] Rz 13 ff; Frankf 30.12.13 – 21 U 23/11).
II. Bestellt.
Rn 3
Die Bestellung ist die Kundgabe des Vertretungsverhältnisses durch den ProzBev oder die vertretene Partei ggü dem Gericht oder dem Gegner. Sie kann bereits vorprozessual erfolgen (Hambg NJW-RR 93, 958; zB durch das Einreichen einer Schutzschrift, MüKoZPO/Häublein/Müller Rz 6 mwN). Die Bestellung kann formlos und sogar konkludent erfolgen (zB Auftreten vor Gericht, BGH NJW-RR 92, 699 [BGH 05.02.1992 - XII ZB 6/92]; NJW-RR 11, 417 [BGH 07.12.2010 - VI ZR 48/10] Rz 10). Sie gilt für das jeweilige Verfahren. Die Bestellung für ein PKH-Verfahren kann die Bestellung für das Hauptsacheverfahren beinhalten (BGH NJW 02, 1728, 1729). Ist ein RA bestellt, ist an diesen unabhängig davon zuzustellen, ob eine Prozessvollmacht tatsächlich erteilt war (BGH NJW 92, 3096, 3099 [BGH 04.06.1992 - IX ZR 149/91]; BGH NJW 02, 1728, 1729 [BGH 17.01.2002 - IX ZR 100/99]).
Rn 4
Die Bestellung kann auch durch den Gegner angezeigt werden, zB durch Angabe eines Beklagtenvertreters in der Klageschrift (BGH NJW-RR 11, 997 Rz 13; 00, 444, 445). Voraussetzung ist, dass die vertretene Partei oder ihr Vertreter dem Gegner von dem Bestehen der Prozessvollmacht Kenntnis gegeben hat. Allein der Umstand, dass ein RA vorprozessual tätig geworden ist, genügt hierfür nicht (BGH MDR 81, 126). Der Kl trägt das Risiko, dass der von ihm bezeichnete Anwalt des Bekl keine Prozessvollmacht hat und die Zustellung deshalb unwirksam ist (BVerfG NJW 07, 3486, 3488 [BVerfG 07.08.2007 - 1 BvR 685/07]; BGH NJW-RR 11, 997 [BGH 06.04.2011 - VIII ZR 22/10] Rz 15). Stellt das Gericht gleichwohl an die Partei selbst zu, muss es zur Wahrung eines fairen Verfahrens den angegebenen RA von der Zustellung an die Partei benachrichtigen (BVerfG NJW 87, 2003 [BVerfG 14.04.1987 - 1 BvR 162/84]).
Rn 5
Die Pflicht, an den ProzBev zuzustellen, besteht, wenn der Zustellungsveranlasser zu dem Zeitpunkt der Erteilung des Zustellungsauftrags (BGH NJW-RR 86, 286, 287) die Bestellung kennt oder kennen muss (BGH NJW 81, 1673, 1674; Frankf Rpfleger 23, 669 [OLG Frankfurt am Main 10.05.2023 - 5 WF 15/23]). Auch die Entscheidungen, die vor der Bestellung erlassen und der Partei noch nicht zugestellt worden sind, sind an den ProzBev zuzustellen (Köln NJW 83, 460). Ist unaufklärbar, ob sich zu dem Zeitpunkt, an dem die Zustellung an die Partei veranlasst wurde, für diese ein ProzBev bestellt hatte, ist zugunsten der Partei von einer Bestellung vor Veranlassung der Zustellung auszugehen, so dass die Zustellung an die Partei selbst unwirksam ist (BGH NJW 81, 1673, 1674; München OLGR 99, 10).
Rn 6
Die Pflicht zur Zustellung an den ProzBev endet erst mit dem Erlöschen der Vollmacht gem § 87. Im Parteiprozess genügt die Anzeige der Mandatsbeendigung (BGH NJW 91, 295 [BGH 17.10.1990 - XII ZB 105/90]). Von da an müssen Zustellungen nicht mehr an den bisherigen ProzBev, sondern können an die Partei erfolgen. Hat der RA gekündigt, ist er aber weiterhin berechtigt, Zustellungen entgegenzunehmen (§ 87 II). Tut er dies, ist die Zustellung wirksam (BGH NJW 08, 234 Rz 11).
Im Anwaltsprozess ist die Bestellung eines neuen (postulationsfähigen) ProzBev erforderlich (§ 87 I Alt 2; s.a. BGH NJW 75, 120). Der bisherige RA ist verpflichtet, an ihn nach Beendigung des Mandatsverhältnisses zugestellte Schriftstücke an di...