Rn 3

Die Bestellung ist die Kundgabe des Vertretungsverhältnisses durch den ProzBev oder die vertretene Partei ggü dem Gericht oder dem Gegner. Sie kann bereits vorprozessual erfolgen (Hambg NJW-RR 93, 958 zu § 176 aF; zB durch das Einreichen einer Schutzschrift, MüKoZPO/Häublein/Müller Rz 6 mwN). Die Bestellung kann formlos und sogar konkludent erfolgen (zB Auftreten vor Gericht, BGH NJW-RR 92, 699 [BGH 05.02.1992 - XII ZB 6/92] zu § 176 aF; NJW-RR 11, 417 Rz 10). Sie gilt für das jeweilige Verfahren. Die Bestellung für ein PKH-Verfahren kann die Bestellung für das Hauptsacheverfahren beinhalten (BGH NJW 02, 1728, 1729). Ist ein RA bestellt, ist an diesen unabhängig davon zuzustellen, ob eine Prozessvollmacht tatsächlich erteilt war (BGHZ 118, 312, 322 = NJW 92, 3096, 3099; BGH NJW 02, 1728, 1729).

 

Rn 4

Die Bestellung kann auch durch den Gegner angezeigt werden, zB durch Angabe eines Beklagtenvertreters in der Klageschrift (BGH NJW-RR 11, 997 Rz 13; 00, 444, 445). Voraussetzung ist, dass die vertretene Partei oder ihr Vertreter dem Gegner von dem Bestehen der Prozessvollmacht Kenntnis gegeben hat. Allein der Umstand, dass ein RA vorprozessual tätig geworden ist, genügt hierfür nicht (BGH MDR 81, 126). Der Kl trägt das Risiko, dass der von ihm bezeichnete Anwalt des Bekl keine Prozessvollmacht hat und die Zustellung deshalb unwirksam ist (BVerfG NJW 07, 3486, 3488 [BVerfG 07.08.2007 - 1 BvR 685/07]; BGH NJW-RR 11, 997 [BGH 06.04.2011 - VIII ZR 22/10] Rz 15). Stellt das Gericht gleichwohl an die Partei selbst zu, muss es zur Wahrung eines fairen Verfahrens den angegebenen RA von der Zustellung an die Partei benachrichtigen (BVerfG NJW 87, 2003 [BVerfG 14.04.1987 - 1 BvR 162/84]).

 

Rn 5

Die Pflicht, an den ProzBev zuzustellen, besteht, wenn der Zustellungsveranlasser zu dem Zeitpunkt der Erteilung des Zustellungsauftrags (BGH NJW-RR 86, 286, 287) die Bestellung kennt oder kennen muss (BGH NJW 81, 1673, 1674). Auch die Entscheidungen, die vor der Bestellung erlassen und der Partei noch nicht zugestellt worden sind, sind an den ProzBev zuzustellen (Köln NJW 83, 460 zu § 176 aF). Ist unaufklärbar, ob sich zu dem Zeitpunkt, an dem die Zustellung an die Partei veranlasst wurde, für diese ein ProzBev bestellt hatte, ist zugunsten der Partei von einer Bestellung vor Veranlassung der Zustellung auszugehen, so dass die Zustellung an die Partei selbst unwirksam ist (BGH NJW 81, 1673, 1674; München OLGR 99, 10).

 

Rn 6

Die Pflicht zur Zustellung an den ProzBev endet erst mit dem Erlöschen der Vollmacht gem § 87. Im Parteiprozess genügt die Anzeige der Mandatsbeendigung (BGH NJW 91, 295 [BGH 17.10.1990 - XII ZB 105/90] zu § 176 aF). Wird an den bisherigen RA zugestellt, ist diese Zustellung gleichwohl wirksam (BGH NJW 08, 234 Rz 11). Nach der Anzeige der Mandatsniederlegung müssen Zustellungen im Parteiprozess nicht mehr gem § 172 an den (bisherigen) Prozessbevollmächtigten bewirkt werden. Dieser ist aber im Rahmen des § 87 II weiterhin berechtigt, Zustellungen für die Partei entgegenzunehmen. Macht er hiervon Gebrauch, ist die an ihn erfolgte Zustellung wirksam (BGH NJW 08, 234 LS).

Im Anwaltsprozess ist die Bestellung eines neuen (postulationsfähigen) ProzBev erforderlich (§ 87 I Alt 2; s.a. BGH NJW 75, 120 zu § 176 aF). Der RA ist verpflichtet, an ihn nach Beendigung des Mandatsverhältnisses zugestellte Schriftstücke an die Partei oder an den neuen Bevollmächtigten weiterzuleiten. Erlischt die Zulassung des RA, sind ab dem Zeitpunkt der Mitteilung hiervon an das Gericht die §§ 87, 172 nicht mehr anwendbar. Ein Berufs- oder Vertretungsverbot steht der Wirksamkeit einer Zustellung an den RA nicht entgegen (§ 155 V 2 BRAO). Stirbt der ProzBev, wird das Verfahren gem § 244 unterbrochen.

 

Rn 6a

Wenn im Rubrum der Klageschrift ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter des Bekl. angegeben wird, muss das Gericht gem § 172 I 1 an diesen und nicht an die Partei zustellen, gleich, ob der Rechtsanwalt wirklich Prozessvollmacht hat oder nicht (vgl BGH NJW-RR 11, 997 Rz 13 ff). Zustellungen an die Partei selbst unter Verstoß gg die Vorschrift des § 172 I 1 sind unwirksam (BVerfG NJW 17, 318 [BVerfG 16.07.2016 - 2 BvR 1614/14] Rz 19 mwN; BGH NJW-RR 11, 997 [BGH 06.04.2011 - VIII ZR 22/10] Rz 17; NZG 20, 70 [BGH 12.09.2019 - IX ZR 262/18] Rz 28).

 

Rn 6b

Der Wirksamkeit einer an den Prozessbevollmächtigten gerichteten Zustellung steht nicht entgegen, dass sich später ein anderer Rechtsanwalt als gem § 53 BRAO bestellter amtlicher Vertreter zur Akte meldet. Auf den Zugang bei dem Vertreter kommt es nicht an. Die Bestellung zum amtlichen Vertreter verleiht dem Vertreter die im Vertretungsfall erforderliche Vertretungsmacht nach außen, schränkt aber nicht die Rechtsposition des Vertretenen aufgrund seiner Mandatierung durch die Partei und Bestellung zum Prozessbevollmächtigten ein (BGH FamRZ 20, 768 Rz 10 mwN).

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