I. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Zustellung von RA zu RA entfaltet alle Zustellungswirkungen. Sie ist immer möglich bei Parteizustellungen, kann aber auch eine Amtszustellung ersetzen, wenn nicht zugleich eine gerichtliche Anordnung zuzustellen ist (Abs. 1 S 2). Wichtigster Anwendungsfall ist die Zustellung von Schriftsätzen im laufenden Prozess, auch wenn diese eine Klageänderung/-erweiterung oder die Erhebung einer Widerklage enthalten; sie führt zu deren Rechtshängigkeit. Die Klageschrift kann dagegen nicht nach § 195 zugestellt werden (arg § 253 V 1), ebenso wenig Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschriften. Eine Zustellung nach § 195 genügt auch zur Einleitung der Zwangsvollstreckung gem § 750 II. Rechtsmittel- oder Einspruchsfristen können durch eine Zustellung nach § 195 allerdings nicht in Gang gesetzt werden. Willenserklärungen nach § 132 BGB können nach allgM nur durch den GV zugestellt werden. Zur Prozessbürgschaft s § 108 Rn 12. Eine Zustellung nach § 195 ist nicht zwingend (Abs 1 S 1: ›kann … auch‹); der RA kann auch den GV nach § 192 beauftragen. Daneben ist weiter eine Mitteilung nach § 135 möglich.
II. Vertretung durch RA.
Rn 3
Zustellungsveranlasser und -adressat (vgl § 166 Rn 3) müssen durch einen RA (oder eine ihm gleichgestellte Person, zB Abwickler) vertreten sein. Für das Erlöschen einer bestehenden Vollmacht gilt § 87, für die Überprüfung § 88. Eine unmittelbare Zustellung an die anderen in § 174 genannten Personen (§ 174 Rn 1) ist nicht möglich.
III. Ausführung.
Rn 4
Das zuzustellende Schriftstück ist zu übermitteln. Eine Papierabschrift muss beglaubigt sein (vgl § 169 Rn 3 f). Bei der Zustellung eines gerichtlichen elektronischen Dokuments (§ 130b) ist dagegen keine (weitere) Beglaubigung durch den Anwalt erforderlich (Dresd GRUR-RS 23, 26628). Die Übermittlung muss zum Zweck und mit dem Willen der Zustellung geschehen. Der Zustellungswille kommt in dem Zustellungshinweis (zB ›Ich stelle selbst zu‹) zum Ausdruck, den das Schriftstück enthalten soll. Dieser ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung; erforderlich ist nur, dass der Zustellungswille erkennbar geäußert worden ist. Hierfür genügt auch die Übersendung eines vorbereiteten Empfangsbekenntnisses oder die Bitte um Rücksendung eines solchen. Die Erklärung ›Gegner hat Abschrift‹ lässt dagegen (eher) auf eine formlose Übersendung ohne Zustellungswillen schließen.
IV. Entgegennahme.
Rn 5
Der empfangende RA muss zum Empfang des Schriftstücks als zugestellt bereit sein. Das setzt voraus, dass er die Zustellungsabsicht kennt (BGH NJW 81, 462 [BGH 29.10.1980 - IVb ZR 599/80]). Unterzeichnet er das Empfangsbekenntnis (Rn 6), wird vermutet, dass er das Schriftstück erhalten und als zugestellt angenommen hat (s.a. § 174 Rn 2). § 195 verpflichtet den Anwalt, an den zugestellt werden soll, allerdings nicht zu einer Mitwirkung an der Zustellung; er empfängt die zugestellte Urkunde vielmehr nur als Vertreter seiner Partei und ist nicht gehindert, die Annahme der Urkunde und die Ausstellung des Empfangsbekenntnisses zu verweigern, ohne dass hieran prozessuale Nachteile geknüpft wären (BGH NJW 15, 3672 Rz 13). Die Weigerung ist auch nicht standeswidrig (BGH NJW 15, 3672 [BGH 26.10.2015 - AnwSt (R) 4/15] Rz 6 ff). Verfahrensrechtlich ist die Zustellung dann nicht wirksam erfolgt, insb kann hierdurch die Vollziehungsfrist nach § 929 II versäumt werden (Fall des Karlsr NJW-RR 16, 821 [OLG Karlsruhe 23.03.2016 - 6 U 38/16]). Es bleibt hier nur die Zustellung nach § 192 oder – soweit sie möglich ist – die Amtszustellung.
V. Empfangsbekenntnis.
Rn 6
Dieses dient nicht nur dem Nachweis der Zustellung (Abs 2 S 1), sondern ist für deren Wirksamkeit vorausgesetzt (str; wie hier Zö/Schultzky Rz 7 mwN; vgl auch § 175 Rn 4). Der Verlust des Empfangsbekenntnisses ist allerdings unschädlich; der Beweis der Zustellung muss dann auf andere Weise geführt werden. Für die inhaltlichen und formellen Anforderungen gilt das zu § 175 Gesagte entsprechend. Auch hier ist eine Übermittlung per Telekopie (Fax) oder als elektronisches Dokument möglich (§ 175 Rn 6 f).