I. Beklagte Person.
Rn 2
Beklagte Person kann, sofern die Niederlassung nicht ihrerseits parteifähig ist (vgl St/J/Roth § 21 Rz 9 Fn 27), nur der Inhaber der Niederlassung sein, wobei dieser natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft sein kann. Der Bekl kann Inländer wie Ausländer sein oder seinen Wohnsitz bzw Sitz im Ausland haben. Denn § 21 regelt nicht nur die örtliche Zuständigkeit, sondern begründet als doppelfunktionelle Vorschrift bei Fällen mit Auslandsberührung auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (BGH NJW 87, 3081, 3082; Frankf DB 03, 41) vorbehaltlich des Eingreifens speziellerer international-prozessrechtlicher Normen. Im Anwendungsbereich der EuGVVO wird § 21 durch Art 5 Nr 5 EuGVVO (= Art 7 Nr 5 EuGVVO in der seit dem 10.1.15 geltenden Fassung) als anwendungsvorrangiger Norm verdrängt (LG Leipzig Urt v 8.3.22 – 0S 2 400/21 – juris = BeckRS 22, 27567, RRa 22, 233; ArbG Karlsruhe 12.2.07 – 11 Ca 250/06 – www.jum.baden-wuerttemberg.de). Ein Bekl, der außerhalb seines Wohnsitzstaates von einer Niederlassung in Deutschland aus am Geschäftsverkehr teilgenommen hat, kann wegen eines daraus entstandenen Rechtsstreits gemäß Art 7 Nr 5 EuGVVO, § 21 I vor einem deutschen Gericht verklagt werden (München Beschl v 29.1.21 –20 U 820/20, Rz 16 – juris; vgl. Zö/Geimer Art. 7 EuGVVO Rz 117).
II. Niederlassung.
Rn 3
Eine Niederlassung iSd § 21 erfordert eine vom Bekl errichtete, auf seinen Namen und Rechnung betriebene Geschäftseinrichtung, deren Leitung das Recht hat, aus eigener Entscheidung ihr übertragene Geschäfte abzuschließen und die sich dadurch von einer Agentur zur Entgegennahme und Übermittlung von Vertragsofferten unterscheidet (BGH NJW 87, 3081, 3082 [BGH 13.07.1987 - II ZR 188/86]). Jedes dieser Definitionsmerkmale muss entweder tatsächlich oder auf Grund eines vom Bekl gesetzten äußeren Rechtsscheins vorliegen (BayObLG Beschl v 20.3.19 – 1 AR 6/19, Rz 10 – juris; BGH NJW 11, 2056 [BGH 18.01.2011 - X ZR 71/10]; Saarbr OLGR 04, 137; Hamm Beschl v 18.2.19 – 32 SA 9/19, Rz 26 – juris).
Rn 4
Die Niederlassung muss nach der vorgenannten, von der Rspr entwickelten Definition vom Inhaber errichtet worden sein, wobei es insoweit nur auf den äußeren Anschein ankommt (BayObLG Beschl v 20.3.19 – 1 AR 6/19, Rz 10 – juris; St/J/Roth § 21 Rz 11). Eine Niederlassung erfordert ferner im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 253 I) bestehende und bestimmungsgemäß genutzte, zur Entfaltung gewerblicher Tätigkeit geeignete, körperlich-gegenständliche (nicht bloß im Internet vorgehaltene: Fricke VersR 01, 925, 933 f) Betriebseinrichtungen (wie zB Geschäftslokal; Büroräume) zum Zwecke eines Tätigwerdens von nicht ganz vorübergehender Dauer (München AnwBl 89, 294). Demnach scheiden Messe- oder Marktstände mangels hinreichender Betriebsdauer nach ganz hM als Niederlassung aus (Musielak/Voit/Heinrich § 21 Rz 2).
Rn 5
Schwierigkeiten bereitet das Merkmal der Berechtigung zum eigenständigen Geschäftsabschluss. Die Befugnisübertragung darf nicht nur rein formal darin bestehen, von der Geschäftsführung bis ins Detail vorgegebene Entscheidungen mit Außenwirkung zu vollziehen, sondern muss neben der Abschluss- auch die Entschließungszuständigkeit beinhalten (Ddorf NJW-RR 89, 432, 433 [OLG Düsseldorf 26.01.1988 - 4 U 190/87]), die sich in regionaler und/oder inhaltlicher Hinsicht wenigstens auf einen Teilbereich der vom Bekl ausgeübten Geschäftstätigkeit (wie zB bei Zweigstellen oder Filialen von Banken: Geschäftsstellen für das Geschäfts- oder Firmenkundengeschäft) beziehen muss. Dies ist evident bei der Hauptniederlassung eines Unternehmens, bedarf indes bei Zweigniederlassungen stets einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Dabei scheiden gelegentliche oder untergeordnete Geschäfte, die nur der Aufrechterhaltung des eigentlichen Geschäftsbetriebs dienen (wie zB Kauf von Büroutensilien, Einstellung und Entlassung von Arbeitskräften, Aufträge zur Wartung von Betriebsfahrzeugen usw), aus (München OLGR 01, 254; Hamm VersR 09, 1345, 1346; Brandenbg Beschl v 14.6.16 – 1 [Z] Sa 18/16, Rz 14 – juris). Vielmehr geht es um die eigentliche Geschäftstätigkeit des Unternehmens bzw von Teilbereichen desselben. Die einzelfallbezogen zu entscheidende Frage, ob eine Verkaufs- bzw Vertriebseinrichtung zum Absatz von Waren oder Dienstleistungen an Endkunden Selbstständigkeit aufweist, beurteilt sich gemessen am Maßstab des äußeren Anscheins (Hamm VersR 09, 1345, 1346) danach, ob die organisatorisch vorgegebene Gestaltung des Verkaufsvorgangs, die äußere Gestaltung des Geschäftslokals und/oder das angebotene Sortiment den Vertragsabschluss als das Ergebnis von individueller Beratung und Verhandlung (ggf auch nur bzgl einzelner Konditionen wie zB Rabatt-/Skontogewährung, Gewährung von Zugaben, Kulanzleistungen etc) oder als von bis ins Detail von der Geschäftsführung vorgegebenen, ›mechanischen‹ Geschäftsvorgängen erscheinen lassen. Dementsprechend werden einfache Verkaufsstätten wie zB SB-Warenhäuser oder ›Filialen‹ überregionaler Unternehmen, die etwa Friseurd...