I. Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat.
Rn 6
Ebenso wie der Vermögensgerichtsstand setzt auch § 23 S 1 Alt 2 eine Klage wegen ›vermögensrechtlicher Ansprüche‹ gegen ›eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat‹, voraus, wobei auf die vorstehenden Ausführungen zu beiden Tatbestandsmerkmalen verwiesen werden kann.
II. Mit der Klage in Anspruch genommener Gegenstand.
Rn 7
Gegenstand ist – insoweit identisch mit dem Merkmal ›Vermögen‹ – jedes Vermögensrecht dinglicher oder schuldrechtlicher Art (vgl BGH NJW 77, 1637, 1638), das allerdings in Abgrenzung zu § 23 S 1 Alt 1 nicht zum Vermögen des Bekl gehören muss (Frankf MDR 81, 322 f). In Anspruch genommen wird der Gegenstand mit der Leistungs- oder Feststellungsklage (BGH NJW 77, 1637 [BGH 17.05.1977 - VI ZR 174/74]), wenn Besitz, Eigentum oder Inhaberschaft an dem Gegenstand zu ihrem Streitgegenstand gehören.
III. Belegenheit des Vermögens oder des Klagegegenstandes (§ 23 S 2).
Rn 8
Bei körperlichen Gegenständen (§ 90 BGB) ist die Belegenheit einfach anhand der tatsächlichen Umstände zu bestimmen. So können bereits inländische Büroräume mit entsprechender Ausstattung für das Eingreifen des § 23 genügen (BAG RIW 13, 803 ff; LAG Hessen IPrax 01, 461, 464; Frankf NJW-RR 96, 186, 187). Gleiches gilt für im Inland verwahrte Inhaberpapiere, deren sachenrechtliches Schicksal sich nach den Regeln über bewegliche Sachen mit dem Besitz als Rechtsscheinsträger bestimmt (Frankf NJW-RR 96, 186, 187). Rechte dagegen sind – um mit einem viel gebrauchten Zitat von Schack zu sprechen – ›überall und nirgends‹ belegen (Schack Rpfleger 80, 175), so dass mangels natürlich vorgegebener körperlicher Belegenheit die Belegenheit normativ durch gesetzliche Belegenheitsfiktion vorgegeben werden muss (BGH WM 13, 333 ff). Dabei hat sich § 23 S 2 unter den denkbaren Regelungsalternativen (zB Anknüpfung an den Erfüllungsort, Gläubigerwohnsitz etc) für eine Anknüpfung an den Drittschuldnerwohnsitz entschieden, ohne dass man hieraus einen allg Rechtsgedanken des Zivilverfahrensrechts herleiten könnte (vgl Lange S 221). Die Anknüpfung am Drittschuldnerwohnsitz bringt es mit sich, dass bei Bestehen eines Inlandskontos des Bekl mit Guthabenbestand Vermögensbelegenheit am Sitz der kontoführenden Bank anzunehmen ist (BGH WM 87, 1353 f; ausf: Hambg MDR 77, 759). Dies gilt aber – mangels rechtlicher Selbstständigkeit – nicht auch für den Sitz der Zweigniederlassung einer Bank, bei der ein Konto geführt wird (Hambg MDR 77, 759). Ruhegehaltsansprüche gegen eine im Inland ansässige Drittschuldnerin (wie zB eine deutsche Notarkasse) begründen ebenfalls inlandsbelegenes Vermögen (BGH WM 13, 333 ff). § 23 greift ferner bei Klagen über die Berechtigung an einem im Inland hinterlegten Geldbetrag (LG Nürnberg ZInsO 13, 1097 ff). Die Belegenheit eines Gesellschaftsanteils ist sowohl am Gesellschaftssitz als auch am Wohnsitz des Gesellschafters zu verorten (Frankf NJW-RR 96, 186, 187 [OLG Frankfurt am Main 27.09.1995 - 17 U 165/94]). Bei öffentlich-rechtlichen Forderungen, insb Zoll- und Steuerforderungen, eines anderen Staates, die sich gegen Drittschuldner mit Sitz/Wohnsitz im Inland richten, hält der BGH § 23 S 2 für unanwendbar, da die Verpflichtung, öffentlich-rechtliche Forderungen eines anderen Staates zu erfüllen, im Hoheitsgebiet dieses Staates zu lokalisieren sei, so dass diese Forderungen grds als auslandsbelegen anzusehen seien (BGH Rpfleger 11, 223). Bei Immaterialgüterrechten (wie zB Patente, Geschmacksmusterrechte etc), die drittschuldnerlos sind, versagt die Anknüpfung am Drittschuldnersitz/wohnsitz. Hier bestimmt sich – in Anlehnung an die diesbezüglichen bereichsspezifischen Vorschriften (zB § 25 PatG, § 96 MarkenG) – die Rechtebelegenheit nach dem Wohnsitz/Sitz des Rechteinhabers, in Ermangelung eines solchen nach dem Wohnsitz/Sitz des für das Inland vorgesehenen Vertreters und weiter hilfsweise nach dem Sitz der zuständigen Behörde (Musielak/Voit/Heinrich § 23 Rz 10). Haftet für eine schuldrechtliche Forderung eine Sache (zB auf Grund Pfandrechts- oder Grundpfandrechtsbestellung) als Sicherheit, so kann die Vermögensbelegenheit zusätzlich auch durch die Belegenheit der haftenden Sache (zB Grundstücksort) bestimmt werden.
IV. Anwendbarkeit.
Rn 9
§ 23 ist nur anwendbar, soweit die Vorschrift nicht durch spezialgesetzliche Vorschriften des internationalen Zivilprozessrechts verdrängt wird. Als solche verdrängenden Spezialnormen kommen insb bilaterale Verträge mit der Bundesrepublik Deutschland (vgl BGH NJW 91, 3092, 3094 [BGH 02.07.1991 - XI ZR 206/90] mwN) sowie Art 5 II, 76 I a EuGVVO iVm Liste I (ABl EU 2015/C 4/02) in Betracht, was eine Anwendbarkeit des § 23 ggü Personen ausschließt, die ihren Wohnsitz im Gebiet eines Mitgliedsstaates haben (Zö/Geimer Art 5 (Art 3 LugÜ) EUGVVO Rz 6; zu Art 3 II iVm Anhang I EuGVVO aF: LG Aachen Urt v 17.7.12 – 41 O 64/11; Cranshaw jurisPR-HaGesR 9/2012 Anm 6). Im Rahmen von einstweiligen Maßnahmen einschl Sicherungsmaßnahmen bleibt gem Art 35 EuGVVO § 23 ZPO anwendbar (Zö/Geimer Art 35 (Art 31 LugÜ) EUGVVO Rz 1; Zö/Schultzky § 23 Rz 4; Musielak/Voit/Heinrich § 23 Rz 19).