Rn 21
Insoweit ist das verfassungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit von bemittelten und mittellosen Parteien zu beachten (BGH NJW 93, 732). Die bedürftige Partei darf sich grds darauf beschränken, innerhalb der Rechtsmittelfrist einen Prozesskostenhilfeantrag für das beabsichtigte Rechtsmittel unter Beifügung vollständiger PKH-Unterlagen einzureichen. Wird der PKH-Antrag nicht innerhalb der zu wahrenden Frist gestellt, kommt eine Wiedereinsetzung in Betracht, sofern auch der verspätete Eingang des PKH-Antrags nebst Anl unverschuldet ist und innerhalb der Frist des § 234 Abs 1 nachgeholt wird (BGH 20.10.20 – VIII ZA 15/20, juris Rz 7). Das Rechtsmittelgericht hat zunächst über das Prozesskostenhilfegesuch zu entscheiden, um so der Partei Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen, falls sie beabsichtigt, das Rechtsmittelverfahren – im Falle der Versagung von Prozesskostenhilfe auf eigene Kosten – durchzuführen (BGH MDR 19, 1212 [BGH 08.05.2019 - XII ZB 520/18]; NJW-RR 18, 1271 [BGH 21.08.2018 - VIII ZB 22/18]; MDR 17, 898). Allerdings ist Wiedereinsetzung nur dann zu gewähren, wenn die Partei vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung ihres Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen muss (stRspr vgl BGH MDR 21, 858 f; FamRZ 15, 1103). Mit der Verweigerung von PKH ist bereits dann zu rechnen, wenn das Rechtsmittelgericht auf Zweifel hinsichtlich der Bedürftigkeit hingewiesen hat und diese vernünftigerweise davon ausgehen muss, dass sie die Zweifel nicht ausräumen kann (BGH NJW-RR 20, 944 [BGH 18.06.2020 - IX ZB 45/19] Rz 7; MDR 18, 1332 [BGH 28.08.2018 - VI ZB 44/17]; NJW-RR 12, 383 [BGH 29.11.2011 - VI ZB 33/10]). Anders liegt es, wenn der Antragsteller berechtigterweise davon ausgehen durfte, die gerichtliche Auflage ordnungsgemäß zu erfüllen. Für ein solches Vertrauen aufseiten des Antragsstellers – der zu den gerichtlichen Beanstandungen fristgerecht ausführt – kann sprechen, dass ihm nicht nur durch das erstinstanzliche Gericht, sondern – auf Basis vergleichbarer Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen – kurz zuvor durch das Berufungsgericht in einem anderen Verfahren PKH bewilligt wurde (BGH MDR 21, 858 f [BGH 09.03.2021 - VIII ZB 1/21]). Etwas anderes gilt, wenn sich nach der erstinstanzlichen Bewilligung von VKH wesentliche Änderungen ergeben haben, etwa, weil im Hauptsacheverfahren die Verwertbarkeit von Immobilienvermögen abweichend beurteilt worden ist (BGH MDR 22, 844 [BGH 23.02.2022 - XII ZB 218/21] Rz 12). Ebenso fehlt es idR an einer unverschuldeten Fristversäumung, wenn innerhalb der Frist zwar ein Antrag auf PKH gestellt, jedoch nicht dargelegt wird, aus welchen tatsächlichen Gründen den wirtschaftlich beteiligten Insolvenzgläubigern eine Prozessfinanzierung nicht zumutbar ist (BGH MDR 17, 970 [BGH 01.06.2017 - IX ZB 87/16]).
Der Grundsatz, dass ein vollständiger PKH-Antrag ausreichend ist, ist auch für die rechtsschutzversicherte Partei maßgebend, wenn sie ab Einreichung des Antrags ohne vermeidbare Verzögerungen um Deckungsschutz nachsucht (BGH MDR 17, 418, 419 [BGH 24.01.2017 - VI ZB 30/16]).
Hat das Gericht Prozesskostenhilfe versagt, weil die Kosten der Prozessführung voraussichtlich vier Monatsraten um ca. 50 Euro unterschreiten (§ 115 IV), kann im Verfahren der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist dem Antragsteller nicht entgegengehalten werden, er habe vernünftigerweise nicht mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe rechnen dürfen (BGH NJW-RR 08, 1238 [BGH 29.04.2008 - VIII ZB 67/07]). Im Einzelfall schaden selbst einzelne Lücken im Vordruck nicht, etwa wenn sie aus den eingereichten Unterlagen ohne weiteres geschlossen werden können (BGH NJW-RR 08, 942 [BGH 13.02.2008 - XII ZB 151/07]). Übermittelt der Anwalt den PKH-Antrag per Fax, muss er durch entsprechende organisatorische Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass auch die vollständigen Unterlagen mit übertragen werden (BGH FamRZ 07, 809); dies ist anhand eines Ausdrucks des Sendeprotokolls zu überprüfen (BGH MDR 10, 1011).
Rn 22
Einer Begründung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels bedarf es nicht, schon gar nicht müssen die Erfordernisse der Rechtsmittelbegründung erfüllt sein (BGH NJW-RR 01, 1146 [BGH 06.12.2000 - XII ZB 193/00]). Das Gericht prüft dann die Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels vAw anhand der Aktenlage. Nichts anderes gilt, wenn die bedürftige Partei einen Rechtsanwalt findet, der das Rechtsmittel schon vor Bewilligung formularmäßig einlegt, aber nicht begründet; er braucht auch keinen Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist zu stellen (BGH NJW-RR 05, 1586, 1587 [BGH 22.06.2005 - XII ZB 34/04]). Der Insolvenzverwalter, der als Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe beantragt, ist auch dann nicht gehalten, das Rechtsmittel sogleich einzulegen, wenn er dazu als Rechtsanwalt selbst in der Lage ist (BGH NJW 13, 2822 [BGH 23.04.2013 - II ZB 21/11]).
Rn 23
Wird die Durchführung eine...