Gesetzestext
(1) 1Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. 2Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Vorschrift setzt der Wiedereinsetzung im Interesse der Rechtssicherheit enge zeitliche Grenzen, nämlich grds von zwei Wochen ab Wegfall des unverschuldeten Hindernisses für die Fristeinhaltung, kombiniert durch die in Abs 3 bestimmte Ausschlussfrist von einem Jahr ab Ende der versäumten Frist.
I. Frist.
Rn 2
Bei Versäumung einer Rechtsmittelbegründungsfrist (für Berufung, Revision, Nichtzulassungsbeschwerde oder Rechtsbeschwerde gilt auch für die Wiedereinsetzung eine Monatsfrist; die Vorschrift gilt auch im Patentnichtigkeitsverfahren (BGH GRUR 08, 280 [BGH 13.11.2007 - X ZR 100/07]). Die Monatsfrist für die aufgezählten Fälle der Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist ist durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz eingefügt worden und soll der bei PKH-Verfahren auftretende Problematik begegnen (dazu näher unten Rn 11 ff). Generell darf das Gericht über einen WE-Antrag vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist nicht abschlägig entscheiden; ein Verstoß kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde begründen (BGH NJW 11, 1363 [BGH 17.02.2011 - V ZB 310/10]).
II. Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist.
Rn 3
Zu beachten ist, dass auch gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist des Abs 1 (nicht aber der Ausschlussfrist des Abs 3) ihrerseits Wiedereinsetzung gewährt werden kann (§ 233); die hierfür maßgebliche 2-Wochen-Frist läuft unabhängig von der Wiedereinsetzungsfrist für die zunächst versäumte Frist. Bsp: Die Berufungsbegründung (Frist 11.4.) geht infolge eines der Partei nicht zuzurechnenden Verschuldens der Rechtsanwaltsgehilfin erst am 12.4. bei Gericht ein. Dies erfährt der Anwalt durch gerichtliche Mitteilung am 18.4. Die einmonatige, also bis 18.5. laufende Wiedereinsetzungsfrist gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird durch den am 12.5 abgesandten Wiedereinsetzungsantrag wegen einer nicht absehbaren Verzögerung der Brieflaufzeit nicht eingehalten, was der Anwalt am 20.5. erfährt. Für den Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist läuft die zweiwöchige Frist ab diesem Zeitpunkt. Hat das Gericht den Wiedereinsetzungsantrag verworfen, weil er nicht innerhalb der Frist des § 234 I gestellt war, steht dies einem Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist nicht entgegen, weil dem Verwerfungsbeschluss bei Erfolg des Antrags die Grundlage entzogen würde (BGH NJW 13, 697 [BGH 28.11.2012 - XII ZB 235/09]). Wenn dem Rechtsmittelführer die Akten nicht zur Verfügung gestellt werden, kann auch die Wiedereinsetzungsfrist für die Begründung seines Rechtsmittels analog §§ 520 I, 575 II 3, 551 II 6 angemessen verlängert werden (BGH NJW-RR 08, 146 [BGH 05.07.2007 - V ZB 48/06]).
B. Fristbeginn und Fristberechnung.
Rn 4
Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem das Hindernis für die Nichteinhaltung der Frist entfallen ist, dieser Tag wird also nicht mitgerechnet (§ 187 I BGB). Das Hindernis entfällt in dem Zeitpunkt, in dem entweder die Ursache der Verhinderung – zB Krankheit (BGH NJW 11, 1601 [BGH 05.04.2011 - VIII ZB 81/10]); Unkenntnis einer ergangenen Entscheidung – wegfällt oder das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann, insb weil die Partei oder ihr Anwalt bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten erkennen können und müssen, dass die Frist versäumt war (BGH MDR 22, 848 [BGH 25.01.2022 - VIII ZR 233/20] Rz 35; NJW-RR 15, 441 [BGH 13.01.2015 - VI ZB 46/14]; NJW 00, 592 [BGH 13.12.1999 - II ZR 225/98], stRspr). Der Zeitpunkt kann bei der Beantragung von PKH auch schon vor der Bekanntgabe des versagenden Beschlusses liegen, wenn etwa aufgrund eines gerichtlichen Hinweises die Partei nicht mehr mit der Bewilligung rechnen konnte (BGH FamRZ 10, 448; VersR 18, 1149). Bei der Begründung eines Wiedereinsetzungsgesuchs ist deshalb besondere Sorgfalt auf den Vortrag zum Wegfall des Hindernisses zu verwenden (wodurch genau und zu welchem Zeitpunkt ist das Hindernis entfallen?). War bei Wegfall des Hindernisses die Frist noch nicht abgelaufen, so ist zu unterscheiden: reicht die – wenn auch verkürzte – Frist noch zur Vornahme der Handlung, ist kein Wiedereinsetzungsgrund gegeben; ist das nicht der Fall, liegt zwar ein Wiedereinsetzungsgrund vor, die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag beginnt in diesem Fall aber schon vor der Versäumung der eigentlichen Frist zu laufen (vgl BGH NJW-RR 90, 830 [BGH 31.01.1990 - VIII ZB 44/89]).
I. Beispiele.
Rn 5
Maßgebend ist etwa der Zeitpunkt der Unterzeichnung der Berufungsschrift bei bereits verstrichener Berufungsfrist (BGH NJW-RR 15, 441 [BGH 13.01.2015 - VI ZB 46/14]). Auch kann sich ...