Rn 12

Unter den Voraussetzungen von Abs 2 S 2 muss (kein Ermessensspielraum) Wiedereinsetzung vAw bewilligt werden. Dies kommt nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung innerhalb der Frist des § 234 I offenkundig oder aktenkundig sind (BGH NJW-RR 04, 408, 409 [BGH 16.10.2003 - IX ZB 36/03]) oder nach einem erforderlichen gerichtlichen Hinweis offenkundig geworden wären (vgl BGH NJW 18, 1022 [BGH 16.01.2018 - VIII ZB 61/17] Rz 19; NJW-RR 15, 628 [BGH 26.06.2014 - V ZB 187/13] Rz 12). Auch nach Fristablauf können erkennbar unklare Angaben noch durch Erläuterung offenkundig werden, sofern die nachgeschobenen Angaben innerhalb der Frist zumindest angedeutet worden sind (BGH 12.02.20 – IV ZB 23/19, juris Rz 10). Beispiele: PKH-Bewilligung, danach Einlegung und Begründung des Rechtsmittels innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (vgl BGH MDR 08, 99, 100 [BGH 19.07.2007 - IX ZB 86/07]); die Berufungsbegründung ist verspätet, weil dem Berufungsführer zwar eine Fristverlängerung mitgeteilt wurde, innerhalb derer die Begründung auch einging, jedoch die Fristverlängerung mangels Unterschrift des Vorsitzenden unwirksam war; aus dem Umschlag, in dem sich die Rechtsmittelschrift befindet, ist ersichtlich, dass die Schrift rechtzeitig an das richtige Gericht abgesandt, von der Post aber zunächst fehlgeleitet wurde; die Rechtsmittelbegründungsschrift geht mehrere Wochen vor Fristablauf beim erstinstanzlichen Gericht ein und wird verspätet weitergeleitet (BGH NJW 12, 2814 [BGH 23.05.2012 - XII ZB 375/11]). Teilweise wird angenommen, Abs 2 S 2 wolle verhindern, dass Wiedereinsetzung an einem Behördenverschulden jeglicher Art scheitere (Zö/Greger Rz 5; Anders/Gehle/Becker ZPO Rz 16); unabhängig von einem Behördenverschulden erscheint es aber vom Gerechtigkeitsgehalt und aus Gründen der Prozessökonomie wenig angemessen, zusätzlich einen Wiedereinsetzungsantrag zu fordern, wenn die schuldlose Fristversäumung für das Gericht zu Tage liegt und die versäumte Handlung bereits nachgeholt ist.

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