I. Form des Wiedereinsetzungsantrags.
Rn 2
Gemäß Abs 1 muss die für die versäumte Prozesshandlung geltende Form eingehalten werden, also regelmäßig Schriftform (soweit nicht Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle zulässig ist, vgl § 496 im Parteiprozess); im Anwaltsprozess ist der Wiedereinsetzungsantrag von einem postulationsfähigen Anwalt zu stellen. Konnte die versäumte Prozesshandlung wahlweise bei zwei verschiedenen Gerichten vorgenommen werden, gilt das auch für den entsprechenden Wiedereinsetzungsantrag: die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist für die sofortige Beschwerde (vgl § 569 I 1) kann deshalb sowohl beim Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, also auch beim Beschwerdegericht beantragt werden; das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, kann aber über Wiedereinsetzung und Beschwerde nur iSd Abhilfe entscheiden und muss anderenfalls dem Beschwerdegericht vorlegen, das dann über Beschwerde und Wiedereinsetzungsantrag entscheidet.
Rn 3
Der Antrag kann auch konkludent gestellt werden, eine Auslegung ist mithin wie auch sonst bei prozessualen Anträgen zulässig. Es ist etwa ausreichend, wenn in einem Schriftsatz konkludent zum Ausdruck gebracht wird, das Verfahren trotz verspäteter Einreichung der Rechtsmitteleinlegungs- oder Rechtsmittelbegründungsschrift fortsetzen zu wollen (BGH NJOZ 23, 1495 Rz. 26; MDR 19, 1149 [BGH 12.06.2019 - XII ZB 432/18] Rz 10). Bei Unklarheiten kommt Hinweis oder Nachfrage gem § 139 in Betracht. Bringt die Partei Entschuldigungsgründe für die Versäumung der Frist vor, wird darin regelmäßig ein stillschweigender Wiedereinsetzungsantrag zu sehen sein (vgl St/J/Roth Rz 4). Geht die Partei hingegen – wie bei einem Fristverlängerungsantrag – selbst davon aus, dass die Frist noch nicht abgelaufen ist, kann ein konkludenter Wiedereinsetzungsantrag nicht angenommen werden (vgl BGH NJW-RR 00, 1730, 1731 [BGH 27.07.2000 - III ZB 28/00]; St/J/Roth aaO).
II. Notwendiger Inhalt des Wiedereinsetzungsantrags.
Rn 4
Auf den Inhalt des Wiedereinsetzungsgesuchs ist besondere Sorgfalt zu verwenden, da anderenfalls Rechtsverluste drohen. Nicht zwingend erforderlich, aber unbedingt anzuraten ist die Verbindung von Wiedereinsetzungsgesuch und nachzuholender Prozesshandlung (es sei denn diese ist bereits, wenn auch verspätet vorgenommen worden). Unabdingbar ist die detaillierte Angabe der Tatsachen, aus denen sich der Wiedereinsetzungsgrund ergibt, nämlich der Umstände, die zur Fristversäumung führten, ferner jene, aus denen sich ergibt, dass den Antragsteller an der Fristversäumung weder ein eigenes noch ein ihm zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten trifft, ferner die für die Einhaltung der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234) erforderlichen Angaben. Letzteres erfordert die Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich ergibt, wann das Hindernis behoben oder nicht mehr unverschuldet war (BGH NJW 00, 592 [BGH 13.12.1999 - II ZR 225/98]; NJW-RR 11, 1284 [BGH 19.04.2011 - XI ZB 4/10]). Nur Angaben, bei denen eine Aufklärung nach § 139 geboten ist, können noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH MDR 19, 1149 [BGH 12.06.2019 - XII ZB 432/18] Rz 13; NJW-RR 19, 500 Rz 14; NJW-RR 19, 827 [BGH 21.03.2019 - V ZB 97/18] Rz 15). Zu beachten ist, dass das Gericht nicht zur Prüfung verpflichtet ist, ob sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag oder der Gerichtsakte ein anderer als der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund ergibt. Weist das Berufungsgericht die Partei allerdings darauf hin, dass zwar nicht der in dem Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Frist des § 234 geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund vorliegt, sich aus dem Antrag aber ein anderer Wiedereinsetzungsgrund ergibt, und stützt die Partei sich nach Ablauf der Antragsfrist, jedoch innerhalb der gewährten Stellungnahmefrist, auf diesen anderen Wiedereinsetzungsgrund, kann die Wiedereinsetzung nicht mit der Begründung versagt werden, es handele sich um ein unzulässiges Nachschieben eines neuen Wiedereinsetzungsgrundes. Anderenfalls setzte sich das Gericht zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch (BGH MDR 22, 519 [BGH 16.12.2021 - V ZB 34/21] Rz 13).
1. Detailgenauigkeit.
a) Geschlossene individualisierte Darstellung.
Rn 5
In allen Punkten sind konkrete, individualisierte (fallbezogene) – mithin einer Beweisaufnahme zugängliche – Angaben erforderlich (BGH MDR 22, 1363 Rz 14). Pauschale (allgemeine) Angaben wie ›Krankheit‹ genügen nicht, denn nicht jede Krankheit ist ein der Fristeinhaltung entgegenstehendes Hindernis; es muss also Art und Dauer der Erkrankung mitgeteilt werden (BVerfG NJW-RR 07, 1717 [BVerfG 17.07.2007 - 2 BvR 1164/07]). Wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Behauptung begehrt, ein fristgebundener Schriftsatz sei auf dem Postweg verloren gegangen, ist die Schilderung der tatsächlichen Abläufe geboten. Es muss eine lückenlose, nicht nur auf allgemeine Vermutungen oder Erfahrungswerte gegründete Darstellung des Weges des konkreten Schriftstücks in den dafür vorgesehenen Postausgangskorb als der letzten Station auf dem Weg zum Adressaten enthalten sein, die den hinreichend sicheren Schluss erlaubt, dass das Schrift...