Rn 4
Auf den Inhalt des Wiedereinsetzungsgesuchs ist besondere Sorgfalt zu verwenden, da anderenfalls Rechtsverluste drohen. Nicht zwingend erforderlich, aber unbedingt anzuraten ist die Verbindung von Wiedereinsetzungsgesuch und nachzuholender Prozesshandlung (es sei denn diese ist bereits, wenn auch verspätet vorgenommen worden). Unabdingbar ist die detaillierte Angabe der Tatsachen, aus denen sich der Wiedereinsetzungsgrund ergibt, nämlich der Umstände, die zur Fristversäumung führten, ferner jene, aus denen sich ergibt, dass den Antragsteller an der Fristversäumung weder ein eigenes noch ein ihm zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten trifft, ferner die für die Einhaltung der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234) erforderlichen Angaben. Letzteres erfordert die Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich ergibt, wann das Hindernis behoben oder nicht mehr unverschuldet war (BGH NJW 00, 592 [BGH 13.12.1999 - II ZR 225/98]; NJW-RR 11, 1284 [BGH 19.04.2011 - XI ZB 4/10]). Nur Angaben, bei denen eine Aufklärung nach § 139 geboten ist, können noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH MDR 19, 1149 [BGH 12.06.2019 - XII ZB 432/18] Rz 13; NJW-RR 19, 500 Rz 14; NJW-RR 19, 827 [BGH 21.03.2019 - V ZB 97/18] Rz 15). Zu beachten ist, dass das Gericht nicht zur Prüfung verpflichtet ist, ob sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag oder der Gerichtsakte ein anderer als der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund ergibt. Weist das Berufungsgericht die Partei allerdings darauf hin, dass zwar nicht der in dem Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Frist des § 234 geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund vorliegt, sich aus dem Antrag aber ein anderer Wiedereinsetzungsgrund ergibt, und stützt die Partei sich nach Ablauf der Antragsfrist, jedoch innerhalb der gewährten Stellungnahmefrist, auf diesen anderen Wiedereinsetzungsgrund, kann die Wiedereinsetzung nicht mit der Begründung versagt werden, es handele sich um ein unzulässiges Nachschieben eines neuen Wiedereinsetzungsgrundes. Anderenfalls setzte sich das Gericht zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch (BGH MDR 22, 519 [BGH 16.12.2021 - V ZB 34/21] Rz 13).
1. Detailgenauigkeit.
a) Geschlossene individualisierte Darstellung.
Rn 5
In allen Punkten sind konkrete, individualisierte (fallbezogene) – mithin einer Beweisaufnahme zugängliche – Angaben erforderlich (BGH MDR 22, 1363 Rz 14). Pauschale (allgemeine) Angaben wie ›Krankheit‹ genügen nicht, denn nicht jede Krankheit ist ein der Fristeinhaltung entgegenstehendes Hindernis; es muss also Art und Dauer der Erkrankung mitgeteilt werden (BVerfG NJW-RR 07, 1717 [BVerfG 17.07.2007 - 2 BvR 1164/07]). Wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Behauptung begehrt, ein fristgebundener Schriftsatz sei auf dem Postweg verloren gegangen, ist die Schilderung der tatsächlichen Abläufe geboten. Es muss eine lückenlose, nicht nur auf allgemeine Vermutungen oder Erfahrungswerte gegründete Darstellung des Weges des konkreten Schriftstücks in den dafür vorgesehenen Postausgangskorb als der letzten Station auf dem Weg zum Adressaten enthalten sein, die den hinreichend sicheren Schluss erlaubt, dass das Schriftstück nach der Unterschrift durch den Prozessbevollmächtigten nur in das Ausgangsbehältnis gelangt sein konnte und nicht unterwegs liegengeblieben, verloren gegangen oder fehlgeleitet worden war (BGH NJW-RR 20, 818 [BGH 28.04.2020 - VIII ZB 12/19] Rz 15; MDR 19, 1082 [BGH 16.04.2019 - VI ZB 33/17] Rz 11; NJW-RR 19, 500 Rz 12). Wird die Wiedereinsetzung wegen eines vorübergehenden Funktionsausfalls eines Computers begehrt, bedarf es näherer Darlegungen zur Art des Defekts und seiner Behebung (BGH NJW-RR 23, 760 [BGH 01.03.2023 - XII ZB 228/22] Rz 13; NJW 04, 2525 [BGH 17.05.2004 - II ZB 22/03]). Soweit die Fristversäumung auf dem Verschulden einer Hilfskraft beruhen soll, sind regelmäßig deren Name, Ausbildungsstand sowie Einzelheiten zur Büroorganisation und Überwachung der Kraft mitzuteilen (BGH NJW 02, 2180, 2181 [BGH 21.02.2002 - IX ZA 10/01]). Dies gilt auch hinsichtlich der Frage der Zuverlässigkeit der Kanzleiangestellten (BGH MDR 17, 782 [BGH 25.04.2017 - VI ZB 45/16]). Beruft sich die Partei darauf, dass der Hilfskraft eine (ausreichende) Einzelanweisung erteilt worden ist, ist das Nichtverschulden des Anwalts nur dann dargetan, wenn außerdem erläutert wird, welche Vorkehrungen gegen das Vergessen der Anordnung getroffen worden sind, es sei denn, dass es sich um eine unmissverständlich sofort auszuführende Anweisung handelt (BGH NJW 04, 688 [BGH 04.11.2003 - VI ZB 50/03]). Diese Darlegung hat innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist zu erfolgen, anderenfalls ist ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten zu vermuten (BGH aaO). Da es bei einer ausreichenden Einzelanweisung grds nicht darauf ankommt, ob die allgemeine Organisation des Fristenwesens den Sorgfaltsanforderungen genügte, ist insoweit weder Vortrag noch Glaubhaftmachung erforderlich (BGH NJW-RR 97, 955; vgl aber zu Ausnahmen: BGH NJW 16, 718 f [BGH 17.12.2015 - V ZB 161/14]). Der Antragsteller...