Gesetzestext
Hört infolge eines Krieges oder eines anderen Ereignisses die Tätigkeit des Gerichts auf, so wird für die Dauer dieses Zustandes das Verfahren unterbrochen.
Rn 1
Die Vorschrift greift ein, wenn ein Stillstand der Rechtspflege durch einen Krieg oder ein ähnliches Ereignis, wie zB Naturkatastrophen, Revolution, eingetreten ist (zur Bedeutung des § 245 vgl Sangmeister KritV 22, 301 ff). § 245 gilt dagegen nicht, wenn alle Richter eines Gerichtes ausfallen, wie zB, wenn alle erfolgreich abgelehnt oder erkrankt sind (Anders/Gehle/Becker ZPO § 245 Rz 2). Die Unterbrechung endet durch Wiederaufnahme der gerichtlichen Tätigkeit.
Rn 2
Diese Vorschrift, die bisher ›glücklicherweise‹ keine praktische Bedeutung‹ hatte (MüKoZPO/Stackmann Rz 1), gibt in Zeiten der Corona-Krise zumindest Anlass, über ihre Anwendung nachzudenken, (auf der Heiden NJW 20, 1023; Windau NZFam 20, 269; Greger NJW 20, Heft 13, 3 (Editoral). Als andere Ereignisse werden tw ausdr Epidemien genannt (MüKoZPO/Stackmann Rz 2; Musielak/Voit/Stadler Rz 1). Allein die Störung des Justizbetriebes durch Quarantänemaßnahmen oder die flächenmäßige Untersagung von öffentlichen Veranstaltungen in der Corona-Krise reicht aber für die Annahme eines Stillstandes der Justiz nicht aus, zumal das Gesetz und die Entwicklung der elektronischen Kommunikation Möglichkeiten bieten, die Funktionsfähigkeit der Justiz jedenfalls tw aufrechtzuerhalten (LG Saarbrücken NJW-RR 20, 712 [OLG Braunschweig 20.04.2020 - 3 W 37/20]; Greger NJW 20, Heft 13 (Editorial); Rebehn NJW 20, Heft 16 (Editorial); Rauscher COVuR 20, 2; Windau NZFam 20, 269). Bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann im Falle einer Pandemie an den Ausschluss der Öffentlichkeit gem §§ 172 Nr 1a, 173 II GVG oder an Maßnahmen nach § 176 I, II 2 GVG gedacht werden; nach § 128a können auf dem Weg der Bild- und Tonübertragung mündliche Verhandlungen oder Beweisaufnahmen nur in Anwesenheit der Richter und in Abwesenheit der sonstigen Prozessbeteiligten durchgeführt werden (Anders/Gehle/Becker ZPO § 245 Rz 3). Es gibt zB auch nach § 128 II, VI Möglichkeiten Verfahren schriftlich zu erledigen (Anders/Gehle/Anders ZPO § 128 Rz 14 ff und 24 ff); nach § 278 V kann an den Güterichter verwiesen werden, der die Güteverhandlung frei gestalten und auch per Skype oder als Online-Dispute-Resolution im Internet durchführen kann (Anders/Gehle/Anders ZPO § 278 Rz 41 f); zu denken ist zudem an eine Verfahrensförderung durch intensiven Gebrauch der Telekommunikation (Anders/Gehle/Anders ZPO § 128a Rz 4; Greger NJW 20, Heft 13 (Editorial); auf der Heiden NJW 20, 1023. Vgl auch § 244 Rn 8; § 245 Rn 2). Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf zur Änderung des § 128a eingebracht, nach dem die Möglichkeiten einer Videoverhandlung erheblich erweitert werden sollen (zum Gesetzgebungsverfahren näher: Anders/Gehle/Anders ZPO § 128a Rz 3a, 3b). Das Gesetzgebungsverfahren und auch schon der fast inhaltsgleiche Entwurf des BMJ hat viele Diskussionen ausgelöst (vgl Greger DRiZ 24, 26; Steffen/Plum DRiZ 24, 2; Schmittat NJW-aktuell 1–2/24, 12; Anders/Gehle/Anders ZPO § 128a Rz 3a, 3b mwN). Er befindet sich derzeit aufgrund eines Beschlusses des Bundesrates von Dezember 2023 im Vermittlungsausschuss. Wie der geänderte Gesetzeswortlaut aussehen wird, bleibt abzuwarten. Je nach Inhalt des neuen § 128a dürfte die Anwendbarkeit von § 245 bei Epidemien, wenn überhaupt, nur noch in ganz eng begrenzten Fällen denkbar sein. In jedem Fall ist es infolge der Covid-19-Pandemie nie zu einem Stillstand der Rechtspflege gekommen (LG Saarbrücken NJW-RR 20, 712; Kobl BeckRS 20, 19111; FamRZ 20, 1858 Rz 32); Anders/Gehle/Becker ZPO § 245 Rz 3).