Gesetzestext
(1) Fand in den Fällen des Todes, des Verlustes der Prozessfähigkeit, des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters, der Anordnung einer Nachlassverwaltung oder des Eintritts der Nacherbfolge (§§ 239, 241, 242) eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten statt, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein; das Prozessgericht hat jedoch auf Antrag des Bevollmächtigten, in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen.
(2) Die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens richten sich nach den Vorschriften der §§ 239, 241 bis 243; in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge ist die Ladung mit dem Schriftsatz, in dem sie beantragt ist, auch dem Bevollmächtigten zuzustellen.
A. Anwendungsbereich und Zweckrichtung.
Rn 1
Eine Prozessvollmacht erlischt gem § 86 nicht in den Fällen der §§ 239, 241, 242, so dass eine Unterbrechung (zum Begriff: vgl vor §§ 239 ff Rn 6) zum Schutz der Partei in den in der Vorschrift genannten Fällen nicht erforderlich ist und deshalb nach Abs 1 Hs 1 nicht eintritt; es besteht aber nach Abs 1 Hs 2 die Möglichkeit, einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens (zum Begriff: vgl vor §§ 239 ff Rn 9) zu stellen (BGH NJW 04, 1528 [BGH 01.12.2003 - II ZR 161/02]; BAG NJW 15, 1709 [BAG 17.12.2014 - 5 AZR 663/13]; VG Frankfurt/O BeckRS 20, 27208). § 246 gilt auch, wenn die GmbH ihre Prozessfähigkeit durch Löschung im Handelsregister verliert, selbst wenn der Prozessvertreter der GmbH nach der Löschung sein Mandat niederlegt, ohne aber zuvor ggü der GmbH den Vollmachtsvertrag wirksam gekündigt zu haben (FG Berlin EFG 10, 349; FG München EFG 15, 1181). Zweck der Aussetzungsmöglichkeit in § 246 ist es, insb dem Prozessbevollmächtigten Zeit zu geben, sich mit dem Rechtsnachfolger, dem (neuen) gesetzlichen Vertreter oder dem Nacherben bzw Nachlassverwalter zu verständigen und sich eine neue Prozessvollmacht gem § 86 Hs 2 geben zu lassen (Ddorf ZEV 16, 337 [OLG Celle 10.12.2015 - 6 W 204/15]; Anders/Gehle/Becker ZPO § 246 Rz 1). § 246 gilt in allen Verfahren, bei denen an sich §§ 239, 241, 242 Anwendung finden würden, wenn keine Vertretung durch einen ProzBev stattfände (vgl vor §§ 239 ff Rn 1, 2, § 239 Rn 2 ff, § 241 Rn 1, 2, § 242 Rn 1, 2). § 246 einerseits und §§ 239, 241, 242 andererseits schließen sich gegenseitig aus; eine Unterbrechung oder eine Aussetzung kommen nur alternativ in Betracht (BGH NJW 08, 2441 [BGH 31.03.2008 - II ZR 308/06]; MüKoZPO/Stackmann § 246 Rz 3). Auf die Frage, ob Anwaltszwang besteht, kommt es nicht an; § 246 gilt dementsprechend auch im Parteiprozess (vgl § 239 Rn 2).
Rn 2
§ 246 ist im Insolvenzfall nicht anwendbar; der Unterschied zu den erfassten Fällen besteht darin, dass nach § 117 InsO die Prozessvollmacht erlischt (BGH NJW ZIP 88, 1584; s.a. oben § 240 Rn 2). Für das Musterfeststellungsverfahren war in § 613 II aF eine Sonderregelung für die Aussetzung vorhanden (BGH ZIP 20, 935; BeckRS 20, 5987; NJW-RR 22, 927 Rz 8 zur Individualklage beim BGH), die durch das VDuG abgelöst worden ist, aber aufgrund der dort vorhandenen Übergangsregelung noch eine Zeitlang zur Anwendung kommen wird (vgl Anders/Gehle/Schmidt § 613 Rz 7 ff; ZPO aF und Beilage, jeweils in der 82. Aufl). Nach § 11 I VDuG setzt das Gericht bei einer Verbandsklage (Abhilfeklagen einschl Umsetzungsverfahren nach §§ 14 ff VDuG oder Musterfeststellungsklagen nach §§ 41 f VDuG) vAw eine Individualklage eines Verbrauchers aus, wenn er diese vor Bekanntgabe der Verbandsklage im Verbandsregister erhoben hat (vgl näher §§ 1 ff VDuG [S 3215]; Anders/Gehle/Schmidt Beilage zur 82. Aufl § 11 VDuG Rz 2; Vor § 1 VDuG Rz 2).
B. Voraussetzungen.
I. Aussetzungsgrund.
Rn 3
Hierzu gehören der Tod einer Partei (vgl oben § 239 Rn 5–8), Verlust ihrer Prozessfähigkeit (vgl oben § 241 Rn 4), Wegfall ihres Vertreters (vgl oben § 241 Rn 5), Anordnung der Nachlassverwaltung (vgl oben § 241 Rn 1) und Eintritt der Nacherbfolge (vgl oben § 242 Rn 1, 2). Liegen die Aussetzungsvoraussetzungen vor, ist bei einem Antrag des ProzBev die Aussetzung zwingend; das Gericht darf keine Billigkeitserwägungen anstellen (BAG NZI 21, 375 Rz 16 = NJW 21, 874 [VGH Bayern 26.01.2021 - 20 NE 21.162]; Rn 7).
II. Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten.
Rn 4
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 246 ist, dass eine wirksame Prozessvollmacht erteilt wurde, der ProzBev postulationsfähig ist und das Mandat zur Zeit des Ereignisses (Rn 3) noch besteht (BAG NJW 15, 1709 [BAG 17.12.2014 - 5 AZR 663/13]; Anders/Gehle/Becker ZPO § 246 Rz 6). Ob Anwaltszwang besteht, ist unerheblich (Rn 1). Grds erfolgt die Vertretung durch einen RA; dies ist aber nicht zwingend erforderlich (Anders/Gehle/Becker ZPO § 246 Rz 6). Für die Frage der Prozessbevollmächtigung kommt es auf die jeweilige Instanz an (BFH FamRZ 09, 113; Anders/Gehle/Becker ZPO § 246 Rz 6). Bezüglich des Beginns der nächst höheren Instanz wird auf die Ausführungen zu § 244 Rn 4 Bezug genommen.
Rn 5
Vertritt sich ein RA selbst (§ 78 IV), gilt grds § 244 und nicht § 246 (BGH NJW-RR 18, 567 [BGH 01.03.2018 - IX ZR 2/18] Rz 6 und 8; § 239 Rn 17a; 243 Rn 3...