Rn 24
Die bestimmte Angabe von Gegenstand und Grund des Anspruchs dient auf der Ebene der Zulässigkeit allein dazu, den Streitgegenstand festzulegen. Nach dem Streitgegenstand beurteilt sich die örtliche Zuständigkeit (§§ 23 ff), der Umfang der Rechtshängigkeit (§ 261 III Nr 1, § 17 I 2 GVG), der materiellen Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung (§ 322), ob eine Klageänderung (§ 263 mit Ausn in § 264 Nr 2, 3) oder eine objektive Klagenhäufung (§ 260) vorliegt sowie der Umfang der Hemmung der Verjährung. Die Bestimmung des Streitgegenstands ist Sache des Kl. Will er einen weiteren Streitgegenstand in den Prozess einführen, muss er deutlich machen, dass er einen neuen prozessualen Anspruch verfolgt; ein neuer Sachvortrag genügt als solcher nicht (BGH NJW-RR 22, 1071 [BGH 31.05.2022 - VI ZR 804/20]).
Rn 25
Nach dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Streitgegenstand (prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kl begehrte Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kl diese Rechtsfolge herleitet (BGH NJW 08, 3711 [BGH 29.05.2008 - I ZR 189/05]). Die Angabe der Rechtsgrundlage ist danach nicht erforderlich (iura novit curia = das Gericht kennt das anzuwendende Recht). Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kl zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt (BGH NJW 13, 540 [BGH 25.10.2012 - IX ZR 207/11]). Der Kl hat Tatsachen vorzutragen, die einen Lebenssachverhalt ausfüllen, aus dem ein Anspruch folgen kann (BGH NJW 91, 2707 [BGH 23.04.1991 - X ZR 77/89]). Es reicht aus, dass dieser Lebenssachverhalt von anderen Sachverhalten abgrenzbar ist. Der Streitgegenstand erfasst alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen, unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht (BGH MDR 17, 762 [BGH 14.03.2017 - VI ZR 605/15]). Es kommt nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt bereits in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig und substanziiert dargelegt wird (BGH WRP 09, 745 [BGH 07.04.2009 - KZR 42/08]); dies bleibt eine Frage der Begründetheit der Klage (BGH MDR 76, 1005). Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne, aus Kapitalanlagebetrug und aus sittenwidriger Schädigung bilden denselben Streitgegenstand (BGH NJW 18, 1259 [BGH 21.11.2017 - II ZR 180/15]). Unterschiedliche Streitgegenstände sind vorzeitiger Zugewinnausgleich und Zugewinnausgleich bei der Scheidung (BGH NJW 19, 2935 [BGH 26.06.2019 - XII ZB 299/18]) oder Geltendmachung eines auf Verletzung eines absoluten Rechts und eines auf die Verletzung einer vertraglichen Pflicht gestützten Unterlassungsanspruchs (BGH NJW 19, 757 [BGH 20.12.2018 - I ZR 104/17]). Entspr dem Zweck der Klageerhebung, dem Schu den Willen des Gl zur Durchsetzung seiner Forderungen zu verdeutlichen ist es ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist (BGH NJW 18, 3457 [BGH 21.03.2018 - VIII ZR 84/17]). Dazu ist erforderlich, dass er durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schu die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will (BGH MDR 11, 1311 [BGH 17.08.2011 - I ZR 108/09]). Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allg und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (BGH NJW 09, 56 [BGH 21.10.2008 - XI ZR 466/07]), zB schlagwortartige Bezeichnung (zB ›Warenlieferung‹, ›Dienstleistung‹) ohne Bezugnahme auf eine konkrete Berechnung oder einen Leistungszeitraum (MDR 20, 1260 [BGH 21.07.2020 - II ZR 175/19]). Streitgegenstand der Drittschuldnerklage ist nicht der bereits titulierte, dem Kl gegen den Schu zustehende Anspruch, sondern der gepfändete und zur Einziehung überwiesene Anspruch des Schu gegen den verklagten Drittschuldner (BAG MDR 15, 1374 [BAG 07.07.2015 - 10 AZR 416/14]).
Rn 26
Eine Frist wird zwar durch Klage beim unzuständigen Gericht gewahrt (BGHZ 97, 155), aber nicht bei unbestimmtem Sachvortrag. Nur eine wirksam erhobene Klage kann eine vorprozessuale Ausschlussfrist wahren. So muss die Gläubigeranfechtungsklage nach § 2 AnfG die bestimmte Angabe enthalten, für welche vollstreckbare Forderung und für welchen Betrag der Rückgewähranspruch geltend gemacht wird (BGHZ 99, 274). Die Klage hemmt die Verjährung (§ 204 I) nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der...