1. Rechtsnatur.
Rn 16
Die gütliche Streitbeendigung kann durch Vergleich erfolgen (Doppelnatur als Rechtsgeschäft und Prozesshandlung), der außergerichtlich, vor Gericht oder als Anwaltsvergleich (§ 796a) geschlossen werden kann. Der Prozessvergleich wird im Termin protokolliert (§§ 160, 162 ff), ist Vollstreckungstitel (§ 794 I Nr 1) und unterliegt dem Anwaltszwang, auch vor Einzelrichter, aber nicht vor beauftragten oder ersuchten Richter (Ddorf NJW 75, 2298) und nicht für beitretende Dritte (BGHZ 86, 160).
Rn 17
Anders als ein Prozessvergleich beendet der außergerichtliche Vergleich den Rechtsstreit nicht unmittelbar, gewährt wegen seines sachlich-rechtlichen Inhalts dem Prozessgegner eine Einrede (BGH NJW 02, 1503 [BGH 07.03.2002 - III ZR 73/01]).
Rn 18
Zur Entlastung von Gericht und Parteien ist nach Abs 6 ein Vergleichsabschluss außerhalb des Verhandlungstermins möglich; Abs 6 gilt auch gem § 36 III FamFG sowie analog im PKH-Verfahren (LG Lüneburg NJW-RR 03, 1506). Das Gericht ist zur Protokollierung eines Vergleiches verpflichtet, wenn die Prozessparteien den Streitgegenstand des Verfahrens regeln. Soweit die Einigung darüber hinausgeht, aber noch in einem inneren Zusammenhang mit dem Streitgegenstand steht, liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Einigung als gerichtlichen Vergleich iSv § 127a BGB protokolliert (BGHZ 191, 1; Anm Geisler jurisPR-BGHZivilR 19/2011 Anm. 1; Kobl NJW 15, 1316). Der Beschlussvergleich ist Vollstreckungstitel nach § 794 I Nr 1. Voraussetzung der Zwangsvollstreckung aus diesem Titel ist aber nicht die Zustellung des Vergleichs selbst iSd § 750 I, sondern die gem Abs 6 S 2 vAw erforderliche Zustellung des Feststellungsbeschlusses (LG Ingolstadt Rpfleger 05, 456). Nach Nürnbg OLGR 05, 195 hat der Feststellungsbeschluss den Charakter einer vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung. Dagegen ist nach Oldbg OLGR 05, 253 der Feststellungsbeschluss keine Entscheidung iSv § 329 III und damit auch kein Vollstreckungstitel, da er lediglich feststellenden Charakter hat und daher nicht vAw zuzustellen ist.
2. Form.
Rn 19
Sowohl das Gericht (1. Alt) als auch die Parteien (2. Alt) können einen Vergleich schriftlich vorschlagen. ›Unterbreiten‹ gem Abs 6 S 1 erfordert eine eigenständige, von der Erklärung der Annahme der außergerichtlichen Vereinbarung abgesetzte Erklärung der Parteien ggü dem Gericht. Eine gemeinsame Erklärung oder die Erklärung einer Partei mit Zustimmung der anderen Partei reicht wegen der Formstrenge nicht aus (Karlsr NJW-RR 11, 7), auch nicht eine Erklärung nur zu Protokoll oder Tonträger ohne erneute Annahme durch Schriftsatz (Hamm NJW-RR 12, 882 [OLG Hamm 13.01.2012 - I-9 U 45/11]). Ein Vergleichsvorschlag beider Parteien liegt auch dann vor, wenn eine Partei dem Gericht einen Vergleichsvorschlag unterbreitet und die andere Partei gegenüber dem Gericht schriftsätzlich erklärt, sie sei mit diesem Vergleichsvorschlag einverstanden (BAG NZA 16, 1485 [BAG 08.06.2016 - 7 AZR 339/14]).
Rn 20
Nach BGH (NJW 15, 2965 [BGH 14.07.2015 - VI ZR 326/14]) war das Erfordernis der Annahme eines Vergleichsvorschlags durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht nicht erfüllt, wenn eine Partei in der mündlichen Verhandlung zu einem vom Gericht unterbreiteten und protokollierten Vergleichsvorschlag ihre Zustimmung zu Protokoll erklärt und die Gegenpartei außerhalb der mündlichen Verhandlung innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist mit Schriftsatz ihre Zustimmung erklärt. Durch die Änderung in § 278 Abs 6 S 1 idF v 12.12.19 (BGBl I S 2633) zum 1.1.20 wird auch in Fällen, in denen die andere Partei ihre Annahme später schriftsätzlich erklärt, der Abschluss eines wirksamen gerichtlichen Vergleichs ermöglicht. Hat das Gericht den Parteien eine Frist zur Stellungnahme zum gerichtlichen Vergleichsvorschlag gesetzt, so kommt ein Vergleich auch dann zustande, wenn beide Parteien erst nach Ablauf der Frist die Annahme des Vergleichsvorschlages erklären (LAG Ddorf ZTR 15, 162). Allein die Mitteilung der Einigung und die wechselseitige Einreichung eines wortidentischen Vergleichstextes bei Gericht führt weder zur Beendigung des Rechtsstreits noch zu einem anspruchsbegründenden Prozessvergleich. Erst durch unanfechtbaren (München MDR 03, 533) Beschl kommt ein verfahrensbeendender Vergleich zustande (LAG SchlH 13.7.17 5 Sa 252/16 juris). Wird ein Prozessvergleich angefochten, so ist über dessen Wirksamkeit auch dann durch Fortführung des Rechtsstreits zu entscheiden, wenn bis zur Anfechtung noch kein Beschluss ergangen war. Ergibt sich aus dieser Fortführung, dass die Anfechtung des Vergleichs unwirksam, so ist dessen Zustandekommen und Inhalt in analoger Anwendung dieser Bestimmung durch Urteil auszusprechen (SchlH SchlHA 17, 144).
a) Widerrufsvorbehalt.
Rn 21
Mit dem Vorbehalt wird nicht der Widerruf als solcher unter eine Bedingung gestellt, vielmehr werden die Voraussetzungen festgelegt, unter welchen ein wirksamer Widerruf (bedingungslos) erklärt werden darf (BGH NJW 72, 159; Zweibr FamRZ 10, 1357 gegen Old...