I. Andere Nachlassverbindlichkeiten.
Rn 2
§ 28 deckt sämtliche Nachlassverbindlichkeiten ab, die nicht bereits unter § 27 fallen. Der Begriff der Nachlassverbindlichkeiten ist in § 1967 II BGB legaldefiniert und erfasst die bereits in der Person des Erblassers begründeten Schulden (›Erblasserschulden‹) sowie die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten. Letztere unterteilen sich in Verbindlichkeiten, die mit dem Erbfall oder infolge des Erbfalls entstehen (›Erbfallschulden‹) und solche die erst nach dem Erbfall im Zuge der Nachlassabwicklung oder der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses entstehen (›Nachlasserbenschulden‹) (Olzen Jura 01, 520, 521). Typische Erblasserschulden, die nicht unter § 27 fallen, sind zB Ansprüche von medizinischen Leistungserbringern aus Behandlungsverträgen (BayObLG NJW-RR 06, 15), Ansprüche aus unerlaubter Handlung, aus Darlehensverträgen (Hamm Beschl 16.1.18 – I-32 SA 57/17, Rz 8 – juris; BayObLG Beschl v 21.9.99 – 1Z AR 120/98, FamRZ 99, 1175) oder Geschäftsbesorgungsverträgen (BayObLG FamRZ 99, 1175, 1176). Von § 28 erfasste Erblasserschulden können auch Ansprüche eines Lebenspartners sein, die mit dem Tod des anderen Partners wegen aus dem Tod resultierender Zweckverfehlung an diesen erbrachten Leistungen entstehen (Naumbg MDR 14, 410). Auch ein gg die Erben gerichteter Anspruch auf Zugewinnausgleich gem § 1371 II BGB als Erblasserschuld iSd § 1967 II BGB gg mehrere gesamtschuldnerisch haftende Miterben eröffnet den erweiterten Gerichtsstand gem § 28 (Celle Beschl v 23.3.21 – 17 AR 3/21, Rz 13 – juris = NJW-RR 21, 588 [OLG Celle 22.03.2021 - 17 AR 3/21]). § 28 greift hinsichtlich der Erblasserschulden auch dann, wenn der Gläubiger der Erblasserschuld (zB als Darlehensgeber) Miterbe ist und die übrigen Miterben in Anspruch nimmt (BayObLG, FamRZ 99, 1175, 1176). Erbfallschulden, die nicht bereits von § 27 erfasst werden, sind etwa Beerdigungskosten (§ 1968 BGB) (Karlsr OLGR 03, 347), Kosten für die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen (§ 348 FamFG, § 24 Nr 1 GNotKG; Olzen Jura 01, 520, 521) oder der Anspruch der Mutter eines werdenden Erben gem § 1963 BGB, der kein gesetzliches Vermächtnis, sondern einen Unterhaltsanspruch darstellt (jurisPK/Hönninger § 1963 BGB Rz 2). Zu den Nachlasserbenschulden gehören auch (vermeintliche) Ausgleichsansprüche der Miterben untereinander wegen Leistungen, die einzelne Miterben in Befolgung von Mehrheitsbeschlüssen der Erbengemeinschaft zur Verwaltung oder Abwicklung des Nachlasses erbracht haben (Schlesw MDR 07, 1200, 1201). Gleiches gilt für Rückgriffs- oder Ausgleichsansprüche der Miterben untereinander, die aus der Befriedigung von Pflichtteilsberechtigten durch einzelne von ihnen entstanden sind (Naumbg ZEV 06, 33). Keine Nachlassverbindlichkeiten iSd § 28 sind bspw Ansprüche des Erbschaftskäufers gegen den Veräußerer (§§ 2375 ff BGB). Schließlich fallen unter § 28 Klagen des Nachlassgläubigers gegen den Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung gemäß § 2213 III BGB (München ZEV 12, 215 ff).
II. Klage gegen den Alleinerben – Belegenheit des ganzen oder teilweisen Nachlasses im Bezirk des Gerichts.
Rn 3
Ist eine Klage wegen anderer Nachlassverbindlichkeiten iSd § 28 gegen einen Alleinerben gerichtet, so ist für das Eingreifen des § 28 ausschlaggebend, dass sich bei Klageerhebung (= Rechtshängigkeit, § 261 II) noch mindestens ein Vermögensgegenstand im Gerichtsbezirk befindet, der weder entfernt worden, noch durch Veräußerung aus dem Nachlassvermögen ausgeschieden ist (MüKoZPO/Patzina § 28 Rz 3). Sofern zum Nachlassvermögen auch Forderungen gehören, befürwortet die wohl hA eine analoge Anwendung des § 23 S 2, so dass die Forderungsbelegenheit am Schuldnerwohnsitz oder bei Forderungen, für die eine dingliche Sicherheit an einer Sache (zB Grundpfandrecht) bestellt ist, auch am Belegenheitsort dieser Sache, fingiert würde (MüKoZPO/Patzina § 28 Rz 3; St/J/Roth § 28 Rz 4; Zö/Schultzky § 28 Rz 3). Dem ist mangels Bezugnahme des § 28 auf § 23 zu widersprechen, da § 23 keineswegs einen allg Rechtsgedanken des Zuständigkeits- oder gar des Zivilverfahrensrechts normiert (Lange S 221 f) und statt der von § 23 S 2 gewählten Anknüpfung ebenso gut eine Anknüpfung an den Erfüllungsort in Betracht käme. Auch der Sinn und Zweck des § 28 gebietet eine analoge Anwendung des § 23 S 2 nicht, da der Schuldnerwohnsitz einer zum Nachlass gehörenden Forderung dem Zufall unterliegt und daher anders als etwa die Belegenheit eines Grundstücks oder sonstiger verkörperter Nachlassgegenstände keinen inneren Bezug zum Gerichtsstand des § 28 zu vermitteln vermag. Dies wäre sehr viel eher bei einer Anknüpfung an den Erfüllungsort der Fall, für die es aber ebenfalls keine normative Grundlage gibt. Nachlasszugehörige Forderungen vermögen demnach mangels feststellbarer Belegenheit die Anwendung des § 28 nicht zu begründen.
III. Klagen gegen einen oder mehrere Miterben bei bestehender Gesamtschuldnerhaftung.
Rn 4
Die zweite Tatbestandsvariante des § 28 bezieht sich alleine auf Klagen gegen Miterben und fordert für diese das Fortbestehen der Gesamtschuldnerhaftung, während – im Gegensatz zum Alleinerben – die etwaige Belegenheit von Nachlassgegenständen im Gerichtsbezirk ...