Rn 42
Ein Verweisungsbeschl ist ausnahmsweise nicht bindend, wenn die Begründung bei Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnorm nicht mehr zu rechtfertigen ist, da sie nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar ist. Dies ist der Fall, bei fehlendem Bindungswillen des verweisenden Gerichts oder der Verweisungsbeschl auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht, nicht vom gesetzlichen Richter erlassen worden ist oder ihm jede rechtliche Grundlage fehlt und aus diesem Grund objektiv willkürlich ist (BGH NJW-RR 15, 1016 [BGH 09.06.2015 - X ARZ 115/15]).
a) Kein Bindungswille.
Rn 43
Die Bindung geht nur so weit, wie das verweisende Gericht binden wollte und soweit es die Zuständigkeit erkennbar geprüft hat (BGH NJW 64, 1416). Der Bindungswille ergibt sich aus dem objektiven Inhalt des Verweisungsbeschl (BGHZ 63, 214). Dies ist nicht im Rahmen der Zulässigkeit der Vorlage zu prüfen, sondern bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts zu beachten (Schlesw NJW-RR 14, 442 [OLG Schleswig 13.09.2013 - 2 AR 28/13]). Entscheidend ist, dass sich das verweisende Gericht mit der betreffenden Zuständigkeitsfrage bereits befasst hat (Braunschw WuW/E DE-R 4084). Ergibt sich aus dem Verweisungsbeschl, dass das verweisende Gericht nur die sachliche oder nur die örtliche Zuständigkeit geprüft hat, kann das andere Gericht hinsichtlich des ungeprüft gebliebenen Gesichtspunktes an ein drittes Gericht verweisen (BGH NJW-RR 98, 1219 [BGH 26.11.1997 - XII ARZ 34/97]; Celle ZUM-RD 14, 486).
Rn 44
Ist keines der am Gerichtsstandsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs 1 Nr 6 beteiligten Gerichte zuständig (negativer Kompetenzkonflikt) und steht das zuständige Gericht nicht sicher fest, ist unter Aufhebung des Verweisungsbeschl an das zuerst verweisende Gericht zurückzuverweisen, damit dieses über die Zuständigkeitsfrage erneut entscheiden kann (Hamm 26.6.15 32 SA 29/15 juris).
Rn 45
Die Verweisung eines Rechtsstreits an ein Gericht desselben Rechtswegs oder von der Zivilkammer an die KfH (oder von dieser an die Zivilkammer) schließt die Weiterverweisung in einen anderen Rechtsweg nicht aus (Hamm 13.6.14 32 SA 35/14 juris; BAG NJW 93, 1878 [BAG 04.01.1993 - 5 AS 12/92]).
Rn 46
Verweist das AG nur wegen des Streitwerts an das übergeordnete LG, ohne die ausschl örtliche Zuständigkeit eines anderen LG erkannt und geprüft zu haben, hat ihm insoweit ein Bindungswille gefehlt, das LG kann an das örtlich zuständige LG weiter verweisen (Hamm 13.6.14 32 SA 35/14 juris; BayObLG NJW-RR 96, 956).
Rn 47
Ist nur die örtliche Zuständigkeit des zweiten Gerichts festgestellt worden (BAG NJW 70, 1702) oder hat das verweisende Gericht irrtümlich gemeint, der Wohnsitz des Bekl liege im Gerichtsbezirk (BAG NZA 94, 959 [BAG 31.01.1994 - 5 AS 23/93]) oder hat die Postleitzahl verwechselt (BayObLG NJW-RR 00, 1734), so kann wegen sachlicher Zuständigkeit weiter verwiesen werden und umgekehrt.
Rn 48
Das Gericht, an das der Rechtsstreit im Mahnverfahren abgegeben ist, ist hierdurch in seiner Zuständigkeit nicht gebunden (§ 696 Abs 5 S 1). Der Kl verliert aber sein Wahlrecht (§ 35) durch die Angaben im Mahnantrag. Die Verweisung an ein nachträglich bezeichnetes anderes Gericht (zB Erfüllungsort) ist ohne Bindungswirkung (BGH NJW 93, 1273). Wurde im Mahnantrag das Wohnsitzgericht fälschlich angegeben, ist ein Verweisungsbeschl an ein nachträglich vom Kl bezeichnetes anderes, aufgrund Vereinbarung der Parteien ausschl zuständiges Gericht bindend, denn hier hatte der Ast kein Wahlrecht (BGH NJW 93, 2810). Keine Bindung, wenn ohne nähere Begründung § 690 Abs 1 Nr 5 nicht berücksichtigt wird (BGH NJW 93, 2810 [BGH 22.06.1993 - X ARZ 340/93]) oder wenn der Verweisungsbeschl auf einem offensichtlichen Sachverhaltsirrtum beruht (BAG NJW 97, 1091 [BAG 11.11.1996 - 5 AS 12/96]). Nach Rücknahme des Antrages auf Erlass des MB-Antrags ist für die Kostenfestsetzung nicht das Mahngericht, sondern dasjenige Gericht zuständig, welches im Falle eines streitigen Verfahrens über die geltend gemachten Ansprüche zu befinden hätte (Hamm NJW 14, 3110 [OLG Hamm 09.07.2014 - 32 SA 46/14]).
Rn 49
Keine Bindung bei Verweisung von Zivilkammer an KfH (Nürnbg NJW 93, 3208); Verweisung von LG an das AG-FamG, wenn eindeutig keine Familiensache vorliegt (BayObLG NJW-RR 93, 10 [BayObLG 14.11.1991 - AR 1 Z 84/91]).
Rn 50
Bindungswirkung kommt für das Gericht, an das verwiesen wird, nur bei Abgabe oder Verweisung von einem Gericht an ein anderes, nicht jedoch von einem Spruchkörper an einen anderen innerhalb desselben Gerichts zu (BGH NJW 80, 1282 [BGH 05.03.1980 - IV ARZ 2/80]).
Rn 51
Keine Bindung bei Erschleichung eines Gerichtsstands durch Täuschung des Gerichts (Celle OLGR 04, 252).
b) Fehlende rechtliche Grundlage.
Rn 52
Der Beschl kann nicht als im Rahmen des § 281 ergangen angesehen werden (BGH NJW 02, 3634 [BGH 10.09.2002 - X ARZ 217/02]), wenn er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er sonst bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint (B...