Rn 52
Der Beschl kann nicht als im Rahmen des § 281 ergangen angesehen werden (BGH NJW 02, 3634 [BGH 10.09.2002 - X ARZ 217/02]), wenn er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er sonst bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint (BGH NJW-RR 13, 764) und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (BGH NJW-RR 13, 764 [BGH 19.02.2013 - X ARZ 507/12]), also nur bei ›extremen Verstößen‹ gegen die Rechtswegordnung (BGH NZS 14, 675 [BGH 23.06.2014 - X ARZ 146/14]).
aa) Willkür.
Rn 53
Willkür liegt vor, wenn die Verweisung nach objektiven Maßstäben sachlich unter keinem Gesichtspunkt mehr zu rechtfertigen und der Rechtsfehler als extremer Verstoß gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren ist (BGH NZA-RR 15, 552 [BAG 18.12.2014 - 2 AZR 1004/13]). Hierfür genügt nicht, dass der Beschl inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist (BGH NJW-RR 15, 1016 [BGH 09.06.2015 - X ARZ 115/15]). Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen. Das kann der Fall sein, wenn das verweisende Gericht eine seine Zuständigkeit begründende Norm nicht zur Kenntnis genommen oder sich ohne Weiteres darüber hinweggesetzt hat, der Verweisungsbeschluss auf einer evident einseitigen oder sonst offensichtlich falschen Erfassung des Sachverhalts oder einem offensichtlichen Sachverhaltsirrtum, auf einer Verkennung des Klagebegehrens oder auf einer evident falschen Erfassung des Zuständigkeitsstreitwerts beruht (BayObLGZ 28.10.20 –101 AR 114/20 juris).
Rn 54
Die Abgrenzung zwischen der fehlerhaften, gleichwohl aber bindenden, und der willkürlichen Entscheidung hängt letztlich davon ab, wie die Verweisung begründet wird (Karlsr FamRZ 91, 90). So ist bindende Wirkung zu versagen, wenn das verweisende Gericht den ihm zur Entscheidung vorgelegten Sachverhalt evident falsch erfasst (KGR Berlin 08, 668), eine eindeutig einschlägige Zuständigkeitsregel in den Gründen des Verweisungsbeschl nicht erörtert hat (Frankf 22.1.20 – 13 SV 2/20 juris; KGR Berlin 08, 248) oder dies auch nicht aus den Akten zu ersehen ist (KG MDR 93, 176, MDR 98, 618 [KG Berlin 13.02.1998 - 28 AR 61/97]).
Rn 55
Willkürliche Verweisung: bei bewusster Verfahrensentledigung (München MDR 20, 753 [OLG München 11.03.2020 - 34 AR 235/19]); Mangels Begründung nicht nachvollziehbar, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Verweisung erfolgt ist (BGH NJW 06, 847; Stuttg OLGR 09, 297; Brandbg FamFR 11, 12), so dass damit objektiv der Anschein erweckt wird, das Gericht sehe das Fehlen der eigenen Zuständigkeit nicht als Voraussetzung für eine Verweisung des Rechtsstreits an (BayObLGR 00, 56); unterlassene inhaltliche Auseinandersetzung mit der möglichen eigenen Zuständigkeit (Celle 27.8.12 4 AR 40/12 juris); gegen Antrag des Kl oder auf Antrag des Bekl (Brandbg OLGR 06, 677); wegen ›Sachzusammenhangs‹ (BGH FamRZ 97, 488); Verstoß gegen § 3 InsO (BGH NJW 06, 847); an OLG als 1. Instanz (BGHZ 2, 278); nur zur Kostenentscheidung (Frankf ZVI 05, 367); Unkenntnis länger zurückliegender Gesetzesänderung oder bewusste Missachtung (BGH NJW 02, 3634); Übergehen einhelliger obergerichtlicher Rspr (München MDR 15, 1034 [OLG München 05.03.2015 - 34 AR 35/15]); Übersehen des ausschl Gerichtsstands nach § 29a (Jena GrundE 00, 56), des besonderen Gerichtsstands der Widerklage gem § 33 (Zweibr OLGR 00, 299), des Orts der Frachtgutablieferung gem § 30 (Hamm RdTW 18, 429) oder des Erfüllungsorts (Dresd NZV 11, 287 [OLG Dresden 14.03.2011 - 3 AR 15/11]), der fortbestehenden Zuständigkeit nach § 261 Abs 3 Nr 1 (BGH NJWE-FER 98, 136) oder der eigenen Zuständigkeit (Frankf NJW 01, 3792); Verweisung nach § 281 statt nach § 17a II GVG (München FamRZ 10, 2090); von Zivilkammer an KfH, obwohl nicht alle Bekl Verweisungsantrag gestellt haben (Celle NdsRpfl 10, 59); Verweisung an unzuständiges Gericht gegen Einwendungen einer Partei (Frankf 18.9.14 – 11 SV 86/14 juris) oder gegen obergerichtliche Rspr (Hamm ZNER 15, 273); Abweichung von der hM ohne Begründung (München 6.8.14 34 AR 97/14 juris); verweisendes Gericht nimmt Zuständigkeitsnorm nicht zur Kenntnis oder setzt sich darüber hinweg (BGH NJW 93, 1273; NJW-RR 11, 1364 [BGH 17.05.2011 - X ARZ 109/11]) oder gelangt zu einem völlig unvertretbaren Ergebnis (KG MDR 09, 1001); evident falsch erfasster Zuständigkeitsstreitwert (Hamm, Beschluss vom 1.9.15 32 SA 38/15 juris; Brandbg VRR 10, 242 zu Schmerzensgeld). Willkür kann auch dann vorliegen, wenn das Gericht in einem Verfahren mit Auslandsbezug nach § 29 (Erfüllungsort) verweist, ohne nachvollziehbar zu begründen, welches materielle Recht auf den Vertrag Anwendung findet und warum aus diesem ein bestimmter Erfüllungsort folgen soll (Frankf 25.11.21 – 11 SV 48/21 juris). Eine Verweisung ist willkürlich, die unberücksichtigt lässt, dass eine Zuständigkeit an jedem Begeh...