Rn 2

Die förmliche Verweisung nach § 281 setzt Rechtshängigkeit voraus (NJW-RR 97, 1161 [BGH 04.06.1997 - XII ARZ 13/97]). Vor Rechtshängigkeit kommt lediglich die formlose Abgabe des Verfahrens in Betracht. Die ordentlichen Gerichte können sich nach mehreren Bestimmungen für unzuständig erklären und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweisen, wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit durch Beschl (Abs 1 S 2) oder wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs durch Beschl nach § 17a II GVG. Ersterer ist unanfechtbar (Abs 2 S 2); gegen letzteren sofortige Beschwerde (§ 17a IV 3 GVG).

I. Anwendungsbereich.

 

Rn 3

§ 281 gilt nur bei örtlicher oder sachlicher, nicht bei funktioneller (BGH NJW 06, 2782 [BGH 03.05.2006 - VIII ZB 88/05]) oder internationaler Unzuständigkeit oder Unzulässigkeit des Rechtswegs. § 281 gilt nicht nur für Urteilsverfahren, sondern in entspr Anwendung für alle Verfahren der ZPO. WEG-Sachen fallen unter ZPO (München OLGR 08, 630).

1. Funktionelle Zuständigkeit.

 

Rn 4

Die funktionelle Zuständigkeit betrifft die gesetzliche Zuordnung von bestimmten Geschäften an bestimmte Rechtspflegeorgane eines Gerichts (OLGR Rostock 07, 287). Ist ein Spruchkörper nach der Geschäftsverteilung unzuständig, ein anderer Spruchkörper desselben Gerichts aber zuständig, erfolgt formlose Abgabe (ohne Bindungswirkung) an den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Spruchkörper. § 281 ist auf solche gerichtsinternen Abgaben nicht anwendbar; bei Zuständigkeitsstreit entscheidet das Präsidium (§ 21e GVG). Abgabe erfolgt bei Zuständigkeitsstreit auch zwischen Familiengericht/Vormundschaftsgericht (BGH NJW-RR 90, 707); Prozessgericht/Familiengericht (Bambg FamRZ 90, 179); AG/LandwirtschaftsG nach § 12 LwVfG (BGHZ 114, 277).

 

Rn 5

§ 17a VI GVG bestimmt die entspr Anwendung des allg Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens in Rechtswegfragen auch für die funktionelle Zuständigkeitsverteilung verschiedener Spruchkörper der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 13 GVG) in ihrem Verhältnis zueinander, aber nicht Zivilkammer zur KfH (LG Hannover NJW-RR 11, 834 [OLG Hamm 14.04.2011 - I-27 W 27/11]). Erklären sich innerhalb eines Gerichts zwei Spruchkörper deshalb für unzuständig, weil sie verschiedener Ansicht darüber sind, ob es sich um eine Familiensache handelt, so bestimmt das höhere Gericht entspr § 36 I Nr 6 den Spruchkörper (BGHZ 71, 264).

 

Rn 6

Hat ein Gericht sich für funktionell unzuständig erklärt und die Rechtswegzuständigkeit eines anderen Gerichts bejaht, besteht kein weitergehendes Bedürfnis dafür, die Frage der funktionellen Zuständigkeit auf Veranlassung desjenigen Spruchkörpers überprüfen zu lassen, an den der Rechtsstreit verwiesen worden ist (Hamm FamRZ 11, 658).

 

Rn 7

Wird eine Berufung bei einem funktionell unzuständigen Gericht eingelegt, kommt trotz Antrags an das zuständige Gericht eine Verweisung nicht in Betracht; die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen (BGH NJW-RR 97, 55).

2. Sondervorschriften.

 

Rn 8

Innerhalb der ordentlichen Gerichte kann AG ans LG (§ 506) oder an die KfH eines LG (§ 96 II GVG), die Zivilkammer an die KfH verweisen und umgekehrt (§§ 97 ff GVG). Diese Beschlüsse sind für die Kammer, an die verwiesen wird, bindend (§ 102 GVG). Bei Kompetenzkonflikt zwischen einer KfH und einer Zivilkammer desselben Gerichts entscheidet nicht das Präsidium, sondern das OLG entspr § 36 I Nr. 6 (BGHZ 71, 271; Ddorf NJW-RR 01, 1220; München NJW-RR 13, 412).

 

Rn 9

Eine Familiensache kann bei einem wichtigen Grund (zB leichtere Erledigung Hamm FamFR 13, 516) an ein anderes Gericht abgegeben werden (§ 4 FamFG), nicht jedoch bei ausschließlicher Zuständigkeit wie Ehesache (Bremen FamRZ 13, 1680).

3. Entsprechende Anwendung.

 

Rn 10

Wird eine Ehesache rechtshängig, während bei einem anderen Gericht erstinstanzlich eine Familiensache anhängig ist betr Kindschaft (§ 153 FamFG), Ehewohnung oder Haushalt (§ 202 FamFG), Unterhalt (§ 233 FamFG), Güterrecht (§ 263 FamFG) oder sonstige Familiensache (§ 202 FamFG), müssen diese an das Gericht der Ehesache abgegeben werden. § 281 II und III gelten entspr.

 

Rn 11

In Familiensachen sowie in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt § 3 FamFG die Verweisung bei Unzuständigkeit. Im Verhältnis zwischen freiwilliger Gerichtsbarkeit und ordentlicher streitiger Gerichtsbarkeit sind §§ 17–17b GVG entspr anwendbar, soweit es um ein Antragsverfahren oder echtes Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geht (BGH NJW 01, 2181), aber nicht bei einem Amtsverfahren (BGH ZVI 07, 80).

 

Rn 12

In allen anderen ZPO-Verfahren in Fällen der örtlichen oder sachlichen Unzuständigkeit wird § 281 entspr angewandt, etwa im Mahnverfahren, PKH-Verfahren (BGH NJW 01, 3633; Dresd MDR 16, 1113; aA Karlsr MDR 07, 1390; München 26.11.10 1 W 2523/10 juris), Arrest, eV (BGH FamRZ 89, 847) und EA oder selbstständigen Beweisverfahren (BayObLGZ 10.6.20 – 1 AR 45/20 juris; Schlesw OLGR 09, 828), auch bei instanzieller Unzuständigkeit (Widerklageerhebung in Berufungsinstanz, Hambg OLGR 03, 373), aber nicht Berufungseinlegung beim funktionell unzuständigem Gericht (BGH NJW-RR 97, 55; NJW 10, 1818 [BGH 10.12.2...

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