Rn 2
Abs 1 betrifft das rechtzeitige Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmittel in der mündlichen Verhandlung, während sich Abs 2 auf die rechtzeitige Mitteilung vor der mündlichen Verhandlung bezieht (LArbG BW 12.7.23 10 Sa 78/22 juris). Obwohl es sich bei Zulässigkeitsrügen begrifflich um Verteidigungsmittel handelt, gilt für diese allein die Sonderregelung in Abs 3 (BGH NJW-RR 06, 496 [BGH 21.12.2005 - III ZR 451/04]).
I. Angriffs- und Verteidigungsmittel.
Rn 3
Dazu gehört jedes Vorbringen, das dazu dient, den geltend gemachten prozessualen Anspruch durchzusetzen oder abzuwehren, wie Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweisanträge, Aufrechnung (BGHZ 91, 293) etc.
Rn 4
Nicht: Rechtsausführungen, Klage, Anspruchsbegründung (§ 697 I), Klageänderung, Klageerweiterung, Sachanträge, Anschlussberufungsantrag; Aufrechnungserklärung, aber das zur Rechtfertigung der Gegenforderung Vorgebrachte (ArbG Erfurt 7.6.23 – 4 Ca 1892/22 juris); sie sind bis zum Schluss der Verhandlung zulässig, Rechtsausführungen jederzeit, auch Schaffung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch erst im Laufe des Verfahrens (BGH NJW-RR 04, 167 [BGH 09.10.2003 - VII ZR 335/02]: Vorlage neuer Schlussrechnung).
II. Rechtzeitiges Vorbringen (Abs 1).
Rn 5
In der Verhandlung haben die Parteien ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Danach soll Vorbringen aus prozesstaktischen Erwägungen nicht zurückgehalten werden, eine Partei aber nicht verpflichtet sein tatsächliche Umstände erst zu ermitteln (BGH NJW 03, 200) oder sich medizinisches Fachwissen anzueignen (BGHZ 159, 245). Eine Partei ist nicht gehindert, im Laufe des Prozesses ihr Vorbringen zu ändern, selbst in Widerspruch zum früheren Vortrag (BGH NJW-RR 00, 208 [BGH 01.07.1999 - VII ZR 202/98]).
Rn 6
Das Vorbringen ist rechtzeitig, wenn es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Dem entspricht das Vorbringen im ersten Termin immer, da der erste Gerichtstermin der frühestmögliche Zeitpunkt ist; Verspätung nur, wenn innerhalb der Instanz mehrere Verhandlungstermine stattgefunden haben und das Vorbringen bereits im ersten Termin erfolgt ist (BGH NJW-RR 05, 1007 [BGH 04.05.2005 - XII ZR 23/03]). Deshalb kann Vorbringen im ersten Termin niemals nach Abs 1 verspätet sein (BGH 3.5.18 III ZR 429/16 juris). Eine Verpflichtung, unbekannte Umstände zu ermitteln, besteht nur, wenn für deren Vorliegen konkrete Anhaltspunkte bestehen (Ddorf NZKart 15, 323). Einer medizinisch nicht sachkundigen Partei ist regelmäßig Gelegenheit zu geben, auch nach dem Vorliegen eines gerichtlichen Gutachtens mit Hilfe eines weiteren Mediziners zu schwierigen medizinischen Fragen noch einmal Stellung zu nehmen (BGH NJW 88, 2302 [BGH 31.05.1988 - VI ZR 261/87]).
Rn 6a
Eine Berufung kann auch auf ausschließlich neues Vorbringen gestützt werden (BGH NJW-RR 07, 934 [BGH 27.03.2007 - VIII ZB 123/06]); dann muss die Berufungsbegr nach § 520 III S 2 Nr 4 aber diejenigen Tatsachen bezeichnen, aufgrund derer das neue Angriffsmittel unter den engen Voraussetzungen des § 531 II zuzulassen ist (BGH NJW-RR 15, 465 [BGH 09.10.2014 - V ZB 225/12]).
III. Rechtzeitiger Schriftsatz (Abs 2).
Rn 7
Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorherige Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung so zeitig durch vorbereitende Schriftsätze mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuholen vermag.
Rn 8
Abs 2 gilt nur im Anwaltsprozess (§ 129 I) und im Parteiprozess nur, wenn den Parteien durch richterliche Anordnung aufgegeben worden ist, die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze oder durch zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugebende Erklärungen nach § 129 II vorzubereiten (BGH GRUR 10, 859 [BGH 25.02.2010 - I ZB 18/08]).
Rn 9
Allein die bloße Nichteinhaltung der mit Abs 2 korrespondierenden Schriftsatzfrist des § 132 I schließt eine Stellungnahme durch den Gegner nicht aus (BGH NJW 97, 2244 [BGH 20.03.1997 - VII ZR 205/96]). Sinn und Zweck der Prozessförderungspflicht nach § 282 II ist es nicht, dem Gericht eine rechtzeitige Terminsvorbereitung zu ermöglichen, sondern sie schützt allein den Gegner und betrifft nur diejenigen Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorherige Erkundigung keine Erklärung abgegeben hätte (BGH 14.3.17 – VI ZR 205/16, juris). Rechtzeitig ist der Vortrag, wenn der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einziehen kann. Zwei Wochen vor der Verhandlung dürften entspr § 274 III ausreichen (BGH NJW 82, 1533 [BGH 16.12.1981 - IVa ZR 282/80]). Die Prozessförderungspflicht kann verletzt sein, wenn der für Zeugen- oder Sachverständigenladung geforderte Auslagenvorschuss nicht fristgerecht eingezahlt wird (BGH NJW 17, 2288 [BGH 31.05.2017 - VIII ZR 69/16]). Unterbleibt deshalb die Ladung des Zeugen, kann die Partei zwar den Zeugen zum Termin stellen. Das Gericht hat dann aber d...