Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus
I. Zweck.
Rn 1
Die Vorschrift ist durch das MietRÄndG 2013 (BGBl I 434) eingeführt worden. Eines der Ziele dieses Gesetzes ist die Bekämpfung des Einmietbetruges. Der Gesetzgeber wollte (BTDrs 17/10485) Vermieter vor Zahlungsausfällen hinsichtlich derjenigen Ansprüche sichern, die während des Räumungsprozesses neu fällig werden. Außerdem sollte in diesen Fällen eine zeitnahe und kostengünstige Durchsetzung des Räumungsanspruchs sichergestellt werden. Deshalb ist die Vorschrift immer im Zusammenhang mit § 940a III zu sehen, der die zumindest mittelbare Rechtsfolge einer Sicherungsanordnung regelt (Börstinghaus NJW 14, 2225; Fleindl ZMR 13, 677). Die Vorschrift gehört systematisch zum Bereich des einstweiligen Rechtschutzes (Börstinghaus in Börstinghaus/Enders, Einstweiliger Rechtschutz, 3. Aufl., Rz 1007; MüKoZPO/Prütting § 283a Rz 1; Zö/Greger § 283a Rz 1). Ein erster Versuch eine Sicherungsanordnung durch das Forderungssicherungsgesetz (BTDrs 16/511) einzuführen ist an der massiven Kritik der Praxis (BRAK Stellungnahme 2004/32; DAV Stellungnahme Nr 2004–46) gescheitert. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist die Vorschrift mehrfach stark verändert worden (zur Gesetzgebungsgeschichte Börstinghaus in Börstinghaus/Eisenschmid, § 283a Rz 3–7). Dies spielt bei der historischen Auslegung eine große Rolle. Statistische Zahlen über die Frage, inwieweit von den neuen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wurde, liegen der Bundesregierung nicht vor (BTDrs 18/4381; 18/6264). Die praktische Bedeutung ist wohl eher gering (Meyer-Abich NJW 19, 1504; ders NZM 16, 329, 334), da es an der Praxistauglichkeit fehlt (Guhling/Günter/Geldmacher 16. Teil 1. Abschn Kap 3 Rz 45). Sinnvoll ist ihre Anwendung bei einer ›Sachverständigenschlacht‹ (so Meyer-Abich NJW 19, 1504, 1505), zB bei Mietrückstand wegen einer Minderung wegen Schimmels oder wenn eine Räumungsverfügung nach § 940a im Raum steht (Börstinghaus MK 23, 175).
II. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Vorschrift gilt für alle Räumungsverfahren iSd § 765a. Diese Vorschrift betrifft alle Ansprüche, die nach § 885 zu vollstrecken sind. Solche Verfahren sind bereits gem § 272 IV vorrangig und beschleunigt zu behandeln. Die Vorschrift gilt sowohl in der Wohnraum- wie auch in der Gewerberaummiete (Streyl NZM 12, 249, 250; Kinne GE 12, 1240, 1243), nicht aber bei der Vermietung bewegl Sachen. In der Gewerberaummiete scheidet aber eine einstw Vfg gem § 940a aus (Frankfurt/M ZMR 20, 301; Dresden NZM 18, 335; München ZMR 18, 220; Celle MietRB 20, 233; GE 15, 54; LG Köln NZM 13, 732; KG NZM 13, 791; Kinne GE 14, 1240, 1243; aA LG Hamburg NZM 13, 860). Das gilt auch, wenn der Gewerberaummietvertrag Wohnraum zum Gegenstand hat (LG Frankfurt/M MietRB 23, 171) Jedoch kann die in § 940a zum Ausdruck kommende Wertung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 in der Gewerberaummiete berücksichtigt werden (KG ZMR 19, 855; GE 19, 797; Frankfurt MietRB 19, 324; Dresden NZM 18, 335; LG Hamburg NJW 2013, 3666; LG Krefeld ZMR 2016, 448; Hinz NZM 12, 777, 794; Fleindl ZMR 14, 938; Klüver ZMR 15, 10 f; Börstinghaus jurisPR-MietR 7/16 Anm 4; Flatow jurisPR-MietR 10/23 Anm 1; Schmidt-Futterer/Streyl § 940a ZPO Rz 57; MüKoZPO/Drescher § 940a Rz 9), ohne dass es sich um eine Analogie der Norm handelt (Guhling/Günter/Geldmacher 16. Teil 1. Abschn Kap 3 Rz 93). Für Verfahren auf Zahlung wegen der COVID-19 Pandemie rückständiger Gewerberaummieten gilt seit 31.12.20 das Beschleunigungsgebot des § 44 EGZPO (Brinkmann/Thüsing NZM 21, 5).