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Der Gegenbeweis obliegt der nicht beweisbelasteten Partei. Er dient dazu, dass dem Gericht die tatsächlichen Behauptungen der beweisbelasteten Partei zweifelhaft bleiben. Der Gegenbeweis ist deshalb schon dann erbracht, wenn die – vorläufige – Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit einer beweisbedürftigen Tatsache wieder erschüttert wird (BGH NJW 86, 2571, 2572 [BGH 10.06.1985 - III ZR 178/84]; NJW-RR 18, 551, 552 [BGH 23.11.2017 - I ZR 51/16] Rz 24; aA Anders/Gehle/Anders ZPO Vor § 284 Rz 21). Dies wird in der Praxis nicht immer beachtet (vgl zB BGH NJW 17, 2285, 2286 [BGH 31.05.2017 - VIII ZR 224/16] Rz 18; MDR 20, 431, 432 [BGH 28.01.2020 - VIII ZB 39/19] Rz 24; NJW 20, 1225, 1226 [BGH 28.01.2020 - VI ZB 38/17] Rz 7 ff; OVG Berlin-Brandenburg NJW 18, 3470, 3471 Rz 19, wo jeweils der Gegenbeweis mit dem Beweis des Gegenteils verwechselt wird; s dazu Baumgärtel/Laumen Bd 1 Kap 2 Rz 11; Jäckel Rz 205). Relationstechnisch darf der Gegenbeweis eigentlich nur erhoben werden, wenn der Hauptbeweis erfolgreich erbracht worden ist (Celle WM 74, 246; Ddorf MDR 95, 959). In der Praxis wird er allerdings aus prozessökonomischen Gründen üblicherweise mit dem Hauptbeweis zusammen angeordnet und in einem Termin erhoben. Das Gericht prüft dann in einer Gesamtschau, ob der Hauptbeweis und, wenn ja, der Gegenbeweis erbracht ist. Der Gegenbeweis kann auf zweierlei Weise geführt werden (Baumgärtel/Laumen Bd 1 Kap 2 Rz 5 ff): mit dem direkten Gegenbeweis wird das beweisbedürftige Tatbestandsmerkmal, von dessen Vorliegen sich das Gericht auf Grund des Hauptbeweises eine vorläufige Überzeugung gebildet hat, unmittelbar angegriffen. Der direkte Gegenbeweis kann allerdings gem § 445 II nicht mit Hilfe einer Parteivernehmung geführt werden. Der Grund ist darin zu sehen, dass der betreffenden Partei nicht zugemutet werden soll, ein ihr günstiges Prozessergebnis durch ihre eigene Aussage wieder in Frage zu stellen (Ddorf MDR 95, 959). Demgegenüber zielt der indirekte Gegenbeweis darauf ab, den Schluss auf das Nichtvorliegen des dem Hauptbeweis zugrunde liegenden Tatbestandsmerkmals durch Indizien, dh tatbestandsfremde Tatsachen, zu widerlegen oder jedenfalls in Zweifel zu ziehen (ThoPu/Seiler vor § 284 Rz 11). Diese Indizien müssen – im Gegensatz zur sonstigen Führung des Gegenbeweises – zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden (BGHZ 6, 169, 171 = NJW 52, 1137). Trotz § 445 II kann der indirekte Gegenbeweis auch mit Hilfe einer Parteivernehmung geführt werden (BGHZ 33, 63, 66 f = NJW 60, 1950). Ergeht die Entscheidung auf Grund eines erfolgreich geführten – direkten oder indirekten – Gegenbeweises, so handelt es sich um eine non liquet Entscheidung, weil die objektiv beweisbelastete Partei dann den Hauptbeweis nicht hat führen können. Gelingt der Gegenbeweis dagegen nicht, verbleibt es beim erfolgreich geführten Hauptbeweis. Die gerichtliche Entscheidung beruht dann auf einem feststehenden, dh bewiesenen Sachverhalt.